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16. Hospizlauf Koblenz - Trier


Laufend geholfen

“Übrigens nehme ich demnächst mit einer Polizeiabordnung am Hospizlauf teil”, verkündet eine der besten Töchter morgens am Frühstückstisch. Der nicht ganz laufunerfahrene Vater spitzt die Ohren. Hospizlauf? Davon hat er noch nie gehört. Ja, das sei so eine Art Etappenlauf für einen guten Zweck. Das kennt der alte Herr, damit hat ergute Erfahrungen gemacht. Und googlet. Und stellt fest, daß man bereits zum 16. Mal in 20 Etappen von Koblenz nach Trier über rund 200 km in 24 Stunden rennt. Als Gruppenlauf, also gemeinsam ohne Wettkampfcharakter. Das gefällt dem gestrengen Herrn Papa. Und da der regionale Laufkalender bzgl. langer Läufe sehr dünn ausfällt, der letzte Marathon zudem sechs Wochen zurückliegt, erwägt er seine Teilnahme.

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Die Internetseite des Hospizlaufs ist aussagekräftig: Keine Startgebühr, keine Anmeldung, Ein- und Ausstieg jederzeit möglich, eine Spende zugunsten div. Hospize gerne gesehen. Die ersten vier Etappen entlang des Mosel-Radwegs sollen nach 41,9 km beendet sein, was also fast einem Marathon entspricht, da wird nicht lange überlegt. Und die paar ggf. fehlenden Meter kann man am Ende noch mehr oder weniger flugs dranhängen. Soweit die Theorie.

In der Praxis wird dem Kinde auf dessen 2. Etappe Dienstaufsicht angedroht und, da es sich alleine (aus dem Lauftreff) nicht so schön läuft, werden Hanne und Jürgen zum Mitlaufen genötigt. Wir finden einen prima kostenlosen Parkplatz in Lützel und sind über die Balduinbrücke schnell am Deutschen Eck mitten im Geschehen. Hier ist schon jede Menge los, zahlreiche Begleitfahrzeuge sind aufgefahren und an Mitläufern scheint auch kein Mangel zu herrschen. Ganz sicher wird die Marke von 100 Aktiven übertroffen. Wir geben unsere Rucksäcke in einem Klein-Lkw ab, der nimmt die Wechselkleidung und etwas zu beißen - Getränke soll es unterwegs geben - zu den Wechselpunkten mit. Nach einer flammenden Rede des ehemaligen Kowelenzer OB Hofmann-Göttig als Schirmherrn (“Mein Trainingszustand ist nicht berauschend, aber bis Winningen komme ich, egal wie lange ich brauche”) und ein paar organisatorischen Hinweisen geht’s pünktlich um 12 Uhr los.
 

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Unter den gestrengen Augen Kaiser Wilhelms II. nehmen wir die ersten Meter moselabwärts unter die Füße. Mehr als vertrautes Terrain umgibt den Koblenzer Jung: Neuendorf und Lützel zur Rechten, die Altstadt mit wenigstens einigen vom Krieg halbwegs verschonten Gebäuden zur Linken, so traben wir in beginnendem Getröpfel vorbei an Moselweiß, dem Rauental, unter der Kurt-Schumacher-Brücke hindurch bis zur Gülser Eisenbahnbrücke. Man glaubt es kaum, sechzig Jahre mußte ich alt werden, um hier erstmals die Mutter Mosel zu überqueren.
 

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Die nächsten paar hundert Meter führen uns über einen gekiesten Weg und werden der einzige nichtasphaltierte Abschnitt bleiben. Links im Moselhang sehe ich das (ehemalige?) Volkert’sche Anwesenheit in geradezu unverschämter Alleinlage liegen, der Blick unbezahlbar. Böse Zungen behaupten, man müsse zum innersten Koblenzer Klüngel gehört haben, um hierfür eine Baugenehmigung zu bekommen. Erstmals steht ein Rettungswagen der Malteser parat, um uns in Augenschein zu nehmen und allzu Mutigen bei Bedarf zur Seite zu springen. Das Laufen an der stark befahrenen B 416 ist gerade bei der Nässe nicht so prickelnd, weil ganz schön laut. Das Tempo, welches die Bremsläufer anschlagen, ist mit 6:20 bis 6:30 min/km schön gleichmäßig. So kommen wir nach rund 12 km nach Winningen, dem Ende der ersten Etappe. Die geballte Staatsmacht in Form mehrerer Polizeibeamter inkl. Vicky steht bereits voller Tatendrang parat und scharrt mit den Hufen. Gab es nach rund 5 km bereits Wasser zur Versorgung, gibt es jetzt Nettes, das so mancher Marathonveranstaltung gut zu Gesicht stünde: Wasser, Iso, Erdinger bleifrei, Salzbrezen, Rosinenstuten, Äpfel, Orangen und Bananen, wir hätten nichts mitbringen müssen.
 

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Immer wieder passieren wir Ausflugsschiffe, deren Passagiere sich auch unter den doch eher ungemütlichen Wetterbedingungen genausowenig wie wir die Laune vermiesen lassen. Unter der Dieblicher Brücke der A 61, vorbei an Kobern-Gondorf und Niederfell ist es bald nicht mehr weit bis nach Lehmen, wo an einem Parkplatz die zweite Etappe beendet ist. Leider auch für Hanne, der das Tempo heute etwas zu hoch ist. Sie ist die erste von uns, die mit dem Zug die Heimreise antritt. Aber auch die laufenden Polizisten absentieren sich mit Masse und gehen gerüchteweise zu verschärftem Kaffeetrinken über. Es gibt definitiv dümmere Ideen!
 

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Langsam scheint das Wetter besser zu werden, wie wir zu bemerken scheinen, als wir unseren Weg fortsetzen. Hinter Oberfell sehen wir dann, daß wir eigentlich lediglich Schwein gehabt haben: Löf ist für den Autoverkehr derzeit gesperrt, die Anwohner sind am Kehren, die Feuerwehr hat mit dem C-Schlauch gar schweres Geschütz aufgefahren: Eine Gewitterzelle hat jede Menge Hagel mit den üblichen Folgen abgeladen. Gut, daß wir ausreichend Abstand dazu hatten. Abends höre ich in der Landesschau, daß es in Hatzenport, das wir bald noch passieren werden, 74 l Regen auf dem m² gegeben hat. Dies entspricht, so erklärt man uns, dem lokalen üblichen Monatsdurchschnitt. Weiter geht’s voran, Moselkern lautet das Ende der dritten Etappe.
 

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Schön ist, daß es aufgeklart hat und die Kamera jetzt halbwegs vernünftige Ergebnisse liefert. Nach der letzten Atzung stehen noch gute acht km für Jürgen und mich auf der Agenda und er kurz vor seinem ersten “richtigen” Marathon. Noch hat er zwischen seinem ersten Ultra über 65 km und 2.100 HM und flachen 20 km noch nichts Offizielles stehen. Wir munitionieren zum letzten Mal auf.
 

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“Aua!”, schreit Jürgen beim Anlaufen und hat plötzlich heftigst “Knie”. Erst scheint es doch zu gehen, aber nach 38 km beenden die Malteser seinen heutigen Arbeitstag, nichts geht mehr. Ganz offensichtlich bekommen uns Waldbewohnern die vielen ungewohnten Asphaltkilometer nicht besonders. Schade, aber er überlebt es und ist am Folgetag wieder oben auf. So vergehen die für mich letzten km in Begleitung Jürgen Reuters kurzweilig und nach exakt viereinhalb Stunden in Bewegung und genauso exakt fünf Stunden brutto signalisiert uns des Bauzentrum Röhrig in Treis-Karden nach letztmaliger Überquerung der Mosella das Ende des heutigen Lauftags. 42,73 km Laufleistung melden unisono Suunto und Garmin, also muß zur Erreichung der Marathondistanz nichts drangehangen werden. Geschafft, uff.
 

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Das Umziehen können wir uns sparen: Kaum angekommen, öffnen sich die Schleusen des Himmels und es schüttet, was das Zeug hält. Jürgen Reuter übergibt den familiären Staffelstab an seine Sybille, die die nächsten vier Etappen laufen möchte. Mein Vorteil: Er hat ab sofort ein Auto und kann mich zum nächsten Bahnhof fahren, ich spare mir gute zwei km weiteren Fußwegs. Alles richtig gemacht! Am Bahnhof findet Jürgens und meine Wiedervereinigung statt, und teilweise gaaanz langsam kommen wir irgendwann wieder am Auto in Koblenz an. Am nächsten Morgen auf der Baustelle von Vicky und Flo bin ich schon wieder einigermaßen geschmeidig. Der nächste Lauf kann kommen!
 

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