Banner_1000



Erster Marathon

Mittlerweile hatte auch ich mitgekriegt, daß in diesem Jahr im Siebengebirge zum ersten Mal eine Cupwertung, der Siebengebirgscup, ausgeschrieben war. Dieser bestand damals aus dem Löwenburg-, dem Drachenlauf und – dem SiebengebirgsMARATHON!

Das folgende Frage- und Antwortspiel wiederzugeben schenke ich mir an dieser Stelle, Ihr könnt es Euch auch so ausmalen. Spätestens hier erwachte aber dann wirklich mein Ehrgeiz. Ich war ohne jeden Zweifel so fit wie noch nie zuvor in meinem Leben. Wer weiß, ob sich mir diese Chance ein zweites Mal bieten würde? Also freundete ich mich langsam mit dem Gedanken an eine Teilnahme an. Daß dieser Marathon zusätzlich zur Länge noch 780 Höhenmeter aufzuweisen hat, spielte dann nur noch eine untergeordnete Rolle.

Die Anmeldung zu diesem Lauf kostete mich echte Überwindung. Hatte ich die Hosen voll! Die ersten 30 km-Trainingsläufe kamen und mit diesen auch zusätzliche Selbstsicherheit. Mein heutiger Freund Hans-Peter beschloß, diesen Lauf als seinen zweiten mit mir gemeinsam zu absolvieren.

Wir holten im Dorfgemeinschaftshaus Aegidienberg unsere Startunterlagen ab und wurden gemeinsam zum Startpunkt, der Pferderennbahn, geführt. Trotz mehrfachen nervösen Pinkelns ließ sich der Start irgendwann nicht länger vermeiden. Es ging los und ich war dabei. Bei einem Marathonlauf! Die erste Hälfte ging gut, mit knapp 1:55 Std. waren wir – aus heutiger Sicht natürlich – viel zu schnell unterwegs. Wenig später musste ich dem zu hohen Anfangstempo Tribut zollen und wurde langsamer. Hans-Peter enteilte. Bei km 35, wußte ich, wartet eine böse Steigung, danach war das Schlimmste vorbei. Oben stand Gregor, der dort einen Glühweinstand (für die Zuschauer!) betrieb, mit einer Flasche Iso-Getränk, die ich ihm am Vortag gegeben hatte. Er hatte angeboten, dort auf mich zu warten und mir die Flasche, am eigenen Busen gewärmt, zu übergeben.

„Gregor, mir geht’s so was von sch... Ich bin fix und fertig!“ Und das war ich auch, trotz der zusätzlichen Kalorien und der Freude, nach so langer Zeit wieder einmal ein bekanntes Gesicht gesehen zu haben.

Die letzten km boten keine gewaltigen Steigungen mehr, aber für mich erschien jetzt jeder Höhenmeter wie ein Berg zu sein. Ständig befand ich mich haarscharf vor einem Krampf, immer abwechselnd im linken Oberschenkel, rechten Unterschenkel, rechten Oberschenkel, linken Unterschenkel. Hans-Peter, so erzählte er mir später, ging es kaum besser. Er bekam die Krämpfe, die ich glücklicherweise gerade noch so vermeiden konnte, zeitgleich in beiden Beinen und fiel einfach um! Die letzten sieben km waren der Horror, ein einziger Kampf gegen den Krampf. Und gegen die Uhr, denn ich Dödel hatte mir vorgenommen, unter 4 Stunden anzukommen. Welch ein Blödsinn bei einem so schweren Lauf und noch dazu beim ersten Marathon! Ich wollte doch so gerne die Medaille haben und mich Marathonläufer nennen dürfen.

Die letzten beiden flachen km durch Aegidienberg zogen sich auf dem Bürgersteig schier endlos hin. Das km-Schild 42 war eine Erlösung, auf die ich schon gar nicht mehr zu hoffen gewagt hatte. Die letzten Meter stolperte ich auf dem roten Teppich in die Halle, bekam die heiß ersehnte Medaille, konnte mich kaum noch auf den Beinen halten, sah Josef und andere ganz entspannt an den Tischen sitzen, sackte auf einem Stuhl zusammen und bewegte mich in der nächsten Stunde nicht mehr. Null. Niente. Nada. Totale Erschöpfung. Eine nette Frau bemitleidete mich und besorgte mir Verpflegung, dank derer ich gaaanz langsam wieder zu mir kam. Auf die Siegerehrung des Marathonlaufs folgte die aller erfolgreichen Absolventen des Siebengebirgscups. Noch eine Medaille für mich! Aber wie bekommen? Zwischen ihr und mir lag zum einen das Erfordernis, aufstehen zu müssen – Herausforderung genug – und drei Treppenstufen hinauf auf die Bühne.

„Hans-Peter, ich komme vielleicht – VIELLEICHT – die Treppen hoch, aber keinesfalls wieder herunter“. Ich bekam meine zweite Medaille an diesem Tag und fühlte mich wie ein Olympiasieger. Hans-Peter trug mich halb die Treppe hinunter. Irgendwie schaffte ich es, die ganze Mannschaft wieder nach Hause zu fahren, denn blöderweise hatte ich mich auch noch angeboten zu fahren.

Zuhause lehnte ich mich mitleidheischend an den Busen meiner heutigen Gattin und was mußte ich hören? „Habe ich Dich zu irgend etwas gezwungen? Das machst Du doch alles freiwillig.” Das aber hatte ich jetzt gerade nicht hören wollen! Und zu allem Überfluß konnte ich die ersten beiden Tage nach dem Marathon zur Schadenfreude aller Familienmitglieder sämtliche Treppen nur rückwärts hinunterlaufen. Aber wie heißt es doch so schön?

Der Schmerz vergeht, der Stolz bleibt!