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General-Olbricht-Lauf am 03.09.2019


Wiederauferstehung

Er war schon herb gewesen, der Einbruch beim Hartfüßlertrail. Am letzten Verpflegungsstand war im wahrsten Sinne des Wortes Ende Gelände gewesen. Die ganze Folgewoche hatte ich Aua-Beine und mich zu nur wenigen km aufraffen können.
 

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Nun war ich schon lange angemeldet zum General-Olbricht-Lauf in Köln. Ein Bundeswehr- und Öffentlicher-Dienst-Lauf über 10 km stand an. Eigentlich ist so etwas unter der Woche immer eine prima Gelegenheit zum Training von Tempohärte, aber in diesem Zustand? Bis zum Vorabend gehe ich mit mir schwanger, ob ich tatsächlich antreten soll. Natürlich trete ich dann doch an.

In der Konrad-Adenauer-Kaserne bin ich zum ersten Mal und finde schnell die Sporthalle und den unmittelbar angrenzenden Start- und Zielbereich. Die Startnummer gibt’s für lau, tatsächlich kostet die Teilnahme nichts. Mit meiner Lauffreundin Iris laufe ich mich die ersten gut 800 m ein, dann wird es langsam ernst. In der kurzen Ansprache des Vertreters des ausrichtenden Amts für Heeresentwicklung erklärt man uns das Zeitmeßsystem: Eine Art stilisierten Schlüssel soll jeder Läufer bei Start und Ziel in ein kleines Kästchen zur Aktivierung bzw. Deaktivierung stecken, mehrere sind parallel zueinander aufgebaut. Startschuß und los geht’s! Von wegen, jeder muß dieses seltsame Teil aktivieren und so geht das Feld vom ersten Meter an lang auseinandergezogen auf die Reise.

Wir verlassen die Kaserne über das Südtor, queren abschüssig eine Straße und sind schon im Kölner Grüngürtel eingetaucht. Nach rund 500 Metern stoßen wir dann auf das flache Geviert von 3 km Länge, das wir dreimal abzulaufen haben. Die Schotterpiste wird bald besser zu belaufen und an der nächsten Kreuzung weist man uns nach rechts in einen langen Waldweg ein.

Was ist mein Ziel für heute? Denn ohne das geht’s natürlich gar nicht. Ein wenig Selbstvertrauen zu tanken wäre nicht schlecht. Im letzten Herbst beim superflachen Zehner in Berlin waren 47,5 min das gerade noch Machbare gewesen. Also wäre alles unter 50 min eine positive Überraschung. Aber wie soll das gutgehen? Gestern habe ich noch einen knappen 10 km-Trainingslauf absolviert, bei dem ich mich einigermaßen flott gefühlt habe. Die Uhr belehrte mich eines Besseren, denn die Pace war unterirdisch, über 6 min/km habe ich gebraucht und war am Ende müde gewesen. O je...

Also sollten die km-Zeiten möglichst keine 5 vorne stehen haben. Der erste km ist nach 4:54 min vorbei, das wäre ein Traum, wenn ich das Tempo halten könnte. Ich versuche, ganz locker zu bleiben und ganz mein Ding zu machen, ohne auf irgendjemanden zu achten. Das gelingt mit zunächst ganz gut, Platz ist ausreichend vorhanden und der zweite km am Ende der ersten langen Geraden in 4:45 min gemeistert, prima. Gefühlt ginge es noch ein wenig schneller, aber nicht bei meiner Vorgeschichte. Rechts um die Ecke taucht zu meiner Überraschung ein größerer Teich auf, der sich im Nachhinein als Kalscheuer Weiher entpuppen wird. Am Wasser zu traben finde ich klasse, meine Laune steigt.

2,3 km sind absolviert, als es wiederum rechts auf die zweite Lange Gerade geht. Rutschig ist der feine Kies, ich finde keinen guten Grip mehr, der kurze zweite Abschnitt war asphaltiert gewesen. Ich weiche auf den Grasrand aus und schon rutsche ich weniger weg. Auch der dritte km ist nach 4:45 min vorbei, das perfekte Wetter mit sonnigen 20 Grad und frischer Luft tut sein Übriges. Nach 3,5 km ist die 3 km-Runde des GOL erstmals absolviert. Was hat es auf sich mit dem General? Wikipedia klärt uns, wie so häufig auf, und das ist nicht lustig.

General Friedrich Olbricht war Leiter des Allgemeinen Heeresamtes im Oberkommando der Heeresleitung (OKH) und damit eines der Vorläuferämter des heutigen Amts für Heeresentwicklung. Er beteiligte sich in Verbindung mit den Widerstandskreisen um Generaloberst Ludwig Beck, Carl Friedrich Goerdeler und Generalmajor Henning von Tresckow an den Planungen zum Attentat auf Adolf Hitler. 1943 forderte er Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg, den späteren Attentäter des 20. Juli 1944, für sein Amt an. Am Tage des Umsturzversuches löste er mit Oberst Albrecht Mertz von Quirnheim den für den Fall innerer Unruhen vorbereiteten „Walküre“-Plan zur Mobilmachung des Ersatzheeres aus. Nach dem Scheitern wurde er in der Nacht vom 20. auf den 21. Juli 1944 auf Veranlassung von Generaloberst Friedrich Fromm im Hof des Bendlerblocks in Berlin gemeinsam mit von Quirnheim, von Stauffenberg und von Haeften standrechtlich erschossen.

Zwei Runden habe ich noch vor mir, der vierte und fünfte km sind in 4:48 bzw. 4:51 min geschafft, die Hälfte also in gerade mal 24 min geschafft. Das nochmal bedeutete insgesamt 48 min und das wäre hinsichtlich des Erwarteten traumhaft. Ob ich das durchhalten kann? Das Reglement hat ja eine nette Ausrede für den Fall der Fälle parat: „Der GOL wird als Lauf durchgeführt. Laufen definiert sich hier als schnelles Fortbewegen, so dass sich kurzzeitig beide Sohlen vom Boden lösen (DSA – Prüfungswegweiser 2018 – Nr. 6.1.2). Gehen ist gestattet.“ Absolut bundeswehrtypisch!

Es läuft weiter rund. Auf der dritten Runde nervt mich ein Läufer, dem ich nicht weglaufen kann, der mir aber ständig im Nacken hängt und als Tempomacher mißbraucht, das mag ich gar nicht. Er folgt mir sogar auf die andere Wegseite. Später zieht er davon, was er auch darf, denn er ist mindestens 30 Jahre jünger als ich. Im Ziel gratulieren wir uns gegenseitig, alles gut. Die weiteren km vergehen in 4:47, 4:43, 4:43 und 4:41 min, ich kann das Tempo also problemlos halten. Dann ist die dritte Runde vorbei und der 500 m lange Rückweg wird eingeschlagen. Schotterpiste, abwärts über eine kleine Rampe und aufwärts durch Südtor ins Ziel. Nochmals die sonderbare Zeitmeßprozedur und der Lauf ist nach 47:12 min vorbei.

Wow, sogar ein negativer Split! Und das beste: Ich fühle mich vollkommen locker, null angestrengt, und das bleibt auch so. Es ist schon sonderbar, welch unterschiedliche Form, ja auch Tagesform man haben kann. Es springt Platz 55 von 163 heraus, ich werde Erster von Vieren in der M60, der Methusalemklasse, noch Ältere gab's nicht. Dieser Lauf hat mir, wie nie erwartet, gut getan. Am Sonntag werde ich Elke auf ihrem ersten Halbmarathon im Rahmen des Koblenz-Marathons begleiten. Ich bin gespannt!
 

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