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4. Lac Regáte-Marathon am 31.01.2021


Mehr als ein Trostpflaster 8.0: Rund um den Fühlinger See

Manche Leute sind schon gebildet und vornehm, also so ganz anders als ich. Da schreibt jemand einen Marathon noch unter den gegenwärtigen Bedingungen im Rheinland aus, dessen Name unzweifelhaft in französischer Sprache gehalten ist. Wie paßt das zusammen? Ist das gar ein Relikt aus der lange vergangenen Besatzungszeit?
Nein, die erste Vermutung ist wohl die richtige, Lac Regáte hört sich einfach jet führnehmer an als Regattasee, denn um einen solchen handelt es sich nämlich. Dahinter verbirgt sich der Fühlinger See im Kölner Norden, den ich eigentlich schon seit zwei Jahrzehnten besucht haben wollte. Und zwar, weil die LLG 80 Nordpark Köln e.V. hier einen Traditionslauf veranstaltet, den Halbmarathon „Rund um den Fühlinger See“. In Anbetracht meiner doch recht zahlreichen sonstigen laufbedingten Abwesenheiten von zuhause habe ich bisher aus atmosphärischen Gründen der Gattin gegenüber vor einer Teilnahme zurückgeschreckt. Jetzt ist es so weit, wenn auch anders, als mal gedacht.
 

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Eine ganz feine Sache ist sie, die vermessene und ausgeschilderte 7 km-Runde („Naturnaher Laufweg“) um den See, der eigentlich nicht ein See ist, sondern ein Ensemble von sieben Seen, die eine zentral angelegte Regattastrecke einfassen. 1912 hatte man hier mit dem Kiesabbau begonnen, dessen Gruben sich aufgrund des nahe gelegenen Rheins und des unterirdischen alten Rheinarms schnell mit Grundwasser füllten. Bereits in den 1930er Jahren, noch bei aktivem Baggerbetrieb, kamen Badegäste in den Kölner Norden. Das heutige Naherholungsgebiet Fühlinger See entstand ab 1967 durch die Rekultivierung und Vereinigung der alten Kiesgruben im Zuge des Baus der Trabantenstadt Chorweiler. Für diese sollte der See als Erholungsgebiet und Trennungsschneise zum östlich geplanten Industrie- und Gewerbegebiet dienen.

Noch kreisele ich ein wenig hilflos auf dem großen Parkplatz der Ruderinsel herum, weil ich auf den ersten Blick nicht erkennen kann, wo dieser naturnahe Laufweg startet. Dafür finde ich drei Pfanddosen fürs Tierheim, was zumindest schon mal ein guter Auftakt ist. Dann erkenne ich die ersten Läufer, die an der verwaisten Gaststätte zur vor mir liegenden Regattastrecke abbiegen und bald darauf auch an einem Pfahl die erste Markierung, perfekt. Ein paar wenige Bergabmeter, dann wird am Wasser links abgebogen. Gegenüber erkenne ich einige große Hallen der Ford-Werke, die nach dem Ersten Weltkrieg eigentlich in Koblenz hätten entstehen sollen, wenn die damals nicht so blöd gewesen wären.
 

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Schön ist es! Der Himmel ist blau, die Luft recht mild, und der Herr Bernath daher, obwohl heute alleine, bestens gelaunt. Über eine kurze Brücke wechsele ich auf die nächste Insel, auf der ich mich links halte, immer der Markierung nach. Erfreulicherweise ist der Weg perfekt ausgeschildert. Ich wurde doch stark verunsichert, als mir ein Passant, den ich zu Beginn nach dem Startpunkt gefragt hatte, etwas von “ziemlich schlecht” erzählte. Offensichtlich wurden die Markierungen erst kürzlich erneuert. Ich behalte ständig das Wasser im Blick und das ist es, was ich so sehr schätze. Kaum bin ich drei km weit gekommen, ist mir schon klar, daß das heute eine ganz tolle Sache werden wird.  Ebenso toll ist es, daß ich tatsächlich den Organisatoren, Manfred Steckel, mehr oder weniger direkt nach dem Start treffe, was keinesfalls selbstverständlich ist. Er macht es wie Ralf (oder umgekehrt), indem er den Kurs verkehrt herum läuft und so alle Delinquenten abklappern kann.
 

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Ganz entspannt arbeite ich mich zum nördlichsten Punkt voran, der quasi den imaginären Wendepunkt darstellt. Gleichzeitig ist das auch das Ende der Regattastrecke. Ob ich hierher zurückkehren und mir erstmals ein Bootrennen anschauen werde? Einen kleinen Vorgeschmack geben mir einige Besatzungen, die von einem Trainer im separaten Boot begleitet, den sensationellen Tag zum Training nutzen. Auf dem weitestgehend asphaltierten Kurs komme ich gut voran. Wäre ich schnell, könnte ich im Wettkampf bestimmt eine gute Zeit erzielen, denn der Kurs ist auch noch bretteben dazu.
 

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Die noch tiefstehende Sonne blendet etwas auf dem Rückweg, aber das ist mal wieder Jammern auf hohem Niveau. Schließlich ist heute der letzte Tag des Januar und damit tiefster Winter, gefühlt jedoch Vorfrühling. Wie meistens, wenn ich ehrlich bin, habe ich mal wieder riesigen Dusel. Über weitere Brücken und immer schön am Wasser habe ich schon bald die erste der sechs  zu absolvierenden Runden á 7,1 km Länge hinter mich gebracht und kann am unmittelbar an der Laufstrecke geparkten Auto erstmals auftanken. Herrlich ist es, auch auf die Gefahr, mich erneut zu wiederholen. Und wiederholen muß, nein, darf ich diesen schönen Kurs, er wird nie langweilig und ist echt ein Traum. Die sensationellen Umstände haben natürlich im Verlauf es Tages einen immer stärker werdenden Fußgängerverkehr zur Folge, was bei einem Naherholungsgebiet nicht verwundern sollte. Allerdings ist das Publikumsaufkommen für Coronabedingungen teilweise schon arg dicht.

Egal, dann muß ich eben ein wenig Slalomlaufen, was mir wenig ausmacht. So vergeht Runde um Runde und ich frage mich mehrfach, warum ich mir dieses Laufvergnügen so lange habe entgehen lassen. Ich bin mir recht sicher, über kurz oder lang nochmals mit der Gattin zurückzukehren, denn das hier ist genau auch ihr Ding. Und eine Stunde Anfahrt- was soll’s! Gelohnt hat es sich am Ende total. Wirklich, das hier und heute war wieder mal deutlich mehr als ein Trostpflaster.