Markus: Gottseidank ist dieser Mensch mit seinem Selbstmitleid endlich zu Ende und ich kann mich den wesentlichen Dingen widmen. Nach einem weiteren Abschnitt auf einer nicht gesperrten, aber von Helfern – Danke! – gesicherten Straße wartet wieder mal ein strammer Anstieg. Die sechste und vorletzte Versorgungsstation bietet uns bei km 32 Labsal.
Erfreulicherweise wenden wir uns dann rechtzeitig wieder in Richtung Biggesee, denn etwas weiter südlich entdeckte Wolfgang auf der Karte im Vorfeld etwas politisch völlig Unkorrektes: Die Ortschaft „Neger“. Nicht nur, daß hier unsere dunkel pigmentierten Mitbürger in Mißkredit gebracht werden, nein, diese werden auch noch in Ober-, Mittel- und Niederneger klassifiziert! Oder ist die in den Ortsbezeichnungen enthaltene Farbe ein Hinweis auf eine bestimmte politisch eindeutige Richtung? Die Vorfahren des Mainzer Karnevalidols der 50er bis 80er Jahre, Ernst Neger („Heile, heile, Gänsje“), scheinen hier ihren Ursprung zu haben. Und von seinem Beruf Dachdecker zum Schornsteinfeger ist es ja auch nicht weit und schon sind wir wieder bei dieser Farbe. Solche abstrusen Gedanken bewegen mein krankes Hirn nach guten drei Stunden Laufzeit. Jetzt aber endgültig Schluß mit dem Seich, hier wird gelaufen und nicht geblödelt! Meine schwarzen Schuhe... AUS!
Solche Gedanken können einem aber auch nur auf diesem Streckenabschnitt kommen. Der hier sehr geschlossene Wald spendet zu dieser Zeit schon reichlich Schatten. Bis km 36 geht es dabei erfreulicherweise kontinuierlich leicht bergab, so daß sich meine müden Beine wie von selbst erholen und ich an diese keine Gedanken verschwenden muß. Anschließend werde ich prompt daran erinnert, daß das Streckenprofil noch ein paar Höhenmeter für uns übrig gelassen hat. Zur Entschädigung geht es noch einmal der Sonne entgegen und der Lauf soll ja an der letzten Getränkestation bei km 38 mit einer großartigen Aussicht über Attendorn gekrönt werden.
Auf dem vorletzten km stoßen wir auf einen Leuchtturm. Richtig gelesen: Leuchtturm. Er ist ein schönes, gemütliches Restaurant ohne weitere Funktion und paßt, zumindest optisch, sehr gut zum See und zum Staudamm. Im Sommer wird er zweimal pro Stunde vom „Biggolino“, einer von Attendorn ausgehenden Bimmelbahn angefahren. Wir wurden vorher freundlich gebeten, Gäste und Kellner, zwischen denen wir durchlaufen, nicht zu belästigen und auch die Bahn stehen zu lassen. Als höfliche Gäste halten wir uns natürlich daran. Ist bei dem Sch….wetter heute aber auch kein Problem.
Ich bin, obwohl ich nach dem Supermarathon am Rennsteig vor drei Wochen insgesamt einen (1) ganzen 20er hinbekommen habe, gut drauf. Offensichtlich schadet auch eine zehntägige Laufpause nicht, wenn sie, wie bei Silke und mir, durch einen Wanderurlaub mit moderaten Tagesetappen zwischen 15 und knapp 30 km ersetzt werden. So kann ich doch noch etliche Läuferinnen und Läufer überholen und bin nach 4:21 Std. wieder am Campingplatz „zuhause“. Dort freue ich über Elkes und Wolfgangs Beifall, der überraschenderweise schon frisch geduscht wieder vor Ort ist.
Hier ein großes Lob an den Veranstalter: Von jedem Verpflegungspunkt, so auch am fünften, konnte man sich abholen und zum Ziel bringen lassen. Und der freundliche Fahrer, Tobias, stellte sich auch noch als Rolfs Sohn heraus. Solch ein Service ist wirklich beispielgebend und bietet bei einem Landschaftslauf ein hohes Maß an Sicherheit.
81 Läufer/innen haben die heutige Premiere über 42,195 km erfolgreich hinter sich gebracht. Das ist für eine Erstauflage nicht schlecht, sicherlich aber begünstigt durch die Absage des ursprünglich für das nächste Wochenende vorgesehenen Willinger Panoramalaufs. Trotzdem fehlten uns viele der bekannten Verdächtigen, die kaum eine Premiere auslassen. Falls der Willinger Lauf im kommenden Jahr wieder angeboten werden sollte, müssen sich die beiden Veranstalter etwas einfallen lassen. Zwei konkurrierende Veranstaltungen mit ähnlichem Charakter im Abstand von gerade einmal 70 km an zwei Wochenenden hintereinander durchzuführen erscheint uns wenig sinnvoll.
Sinnvoll war es auf jeden Fall, hier und heute angetreten zu sein. In dieser Form ist der Biggesee-Marathon mit seiner schönen Strecke und der guten Organisation insbesondere für Liebhaber des Landschaftslaufs eine echte Bereicherung des Laufkalenders, bei vernünftigem Wetter umso mehr. Aber dafür können die Veranstalter nun nicht auch noch haftbar gemacht werden. Macht es mir nach und kommt (auch) 2012, denn der wird seine Rechnung mit dem Biggeseemarathon bei dann hoffentlich vollem Akku begleichen.
Diesen Bericht gibt es mit jeder Menge Fotos auch auf marathon4you.de.
Streckenbeschreibung: Welliger, abwechslungsreicher Landschaftsmarathon (Einrundenkurs) mit rund 730 Höhenmetern, überwiegend auf Wald- und Wirtschaftswegen. Jeder km ist ausgeschildert.
Startgebühr: 20 €, 2 € Nachmeldegebühr.
Zeitnahme: Manuell.
Rahmenprogramm: Kleine Sportartikelmesse durch den Hauptsponsoren, Gastronomie durch den Ausrichter.
Weitere Veranstaltungen: Halbmarathon mit 230 Höhenmetern, flacher 10 km-Lauf.
Auszeichnung: Präsente für die jeweils ersten drei Frauen und Männer, Urkunde aus dem Internet.
Logistik: Alles inkl. Duschen zentral am Campingplatz Waldenburg (an Start/Ziel).
Verpflegung: Ca. alle 5 km und am Ziel mit Wasser, Iso, Obst, später Cola.
Zuschauer: Es ist ein Landschaftslauf, Freunde!
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