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Da ist der Wurm drin
Nein, die Veranstalter hatten keinen Fehler begangen, ganz im Gegenteil. Sie erweiterten im vergangenen Jahr erfolgreich den Laufkalender um einen weiteren schönen, aber durchaus anspruchsvollen Landschaftslauf, der den Vergleich mit z.B. Aegidienberg, Bad Arolsen, Bad Pyrmont, Euskirchen, Hachenburg, Waxweiler oder Windhagen nicht zu scheuen braucht. Der Fehler lag vielmehr beim Verfasser, der meinte, mit krankheitsbedingt erheblichem Trainingsrückstand gleich wieder Bäume ausreißen zu müssen. Folgerichtig war bei km 28 die Kraft zu Ende und das erste und bisher einzige DNF zu verzeichnen. Ganz abgesehen davon, daß die Strecke zur Wiederkehr reizvoll genug ist, mußte diese Schmach unbedingt durch ein Erfolgserlebnis getilgt werden.
Die beiden Protagonisten des Laufs, die Ultraläufer Andy Ufer und Rolf Kaufmann, haben die Erfahrungen aus der Erstveranstaltung ausgewertet und einige Straßenkilometer durch schöne(re) Waldwege und Trails ersetzt. Dabei sind auch rund 40 zusätzliche Höhenmeter herausgekommen. Marathon und Halbmarathon sind bis km 20 absolut identisch, auch der Viertelmarathon (10,5 km) verläuft bis km 4,5 auf der gleichen Strecke.
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Nicht verändert wurden die örtlichen Gegebenheiten: Der 9 km² große Biggesee im südlichen Sauerland (Kreis Olpe) ist landschaftlich herrlich zwischen den Städten Olpe am Süd- und Attendorn am Nordende gelegen.
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Von 1956 bis 1965 gebaut, dient er der Regulierung mehrerer Flüsse und der Wasserversorgung u. a. des Ruhrgebiets. Daß sich Marathonlaufen lohnt, konnte wieder einmal schnell bewiesen werden: Nach unserem gemeinsamen Einsatz beim Röntgenlauf vor zweieinhalb Jahren treffe ich auf der Strecke des Mittelrheinmarathons Peter, erzähle ihm von meinem Vorhaben und schon habe ich für heute nicht nur einen netten Begleiter, sondern auch einen Chauffeur gewonnen. Josef ist wieder mal dabei, er wird den Halbmarathon unter die Füße nehmen.
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Verändert hat man noch die Startzeit: Die Vorverlegung von 16 auf 14 Uhr ist für mich bei anderthalb Stunden Anreise quer durch die Wallachei optimal, so kann ich zu einer noch christlichen Zeit wieder zuhause sein. Die Sollzeit ist zwar mit sechs Stunden um eine halbe Stunde gekürzt worden, aber immer noch großzügig bemessen. Grob gesagt liegt der Einrundenkurs jeweils zur Hälfte zunächst nordostwärts und dann nordwestlich des Biggesees, mit viel Phantasie hat er die Form einer liegenden Acht. Halb- und Viertelmarathon werden 30 bzw. 45 min. später hintereinander gestartet.
Der Hauptsponsor, Northland Store Peter Schneider aus Lennestadt, organisiert im Start-/Zielbereich eine kleine, attraktive Sportwarenmesse direkt am Strandbad in der Waldenburger Bucht, wo die Strandpiraten für Speisen und Getränke sowie entsprechende Stimmung sorgen. An warmen Sommertagen herrscht hier reger Publikumsverkehr. A propos warme Sommertage: Es soll ja Kollegen geben, die nicht übers Wetter reden - ich als bekennender Schönwetterläufer schon. War das eine Sch… im letzten Jahr! Da kommst Du mitten im Juni in eine wunderbare Fremdenverkehrsgegend, bist auf Sommerurlaub eingestellt und hast Aprilwetter vom Feinsten bei rund 10°! Andy und Rolf haben auch daraus gelernt und wenigstens ein paar Grade draufgepackt. Na also, geht doch! Gar nicht dagegen geht, daß es noch mehr schifft, als im vergangenen Jahr. Aber es muß für 2013 ja noch Potential bleiben…
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Eine gesperrte Straße entlang des Sees bringt uns zunächst bis zur Waldenburger Kapelle, eine im Zuge der Errichtung der Talsperre an ihren heutigen Standort umgezogene Marienwallfahrtsstätte. Die ersten gut hundert auf 458 Höhenmeter können wir schon nach zwei km abhaken, das geht ja wieder gut los. „Steil ist geil!“ verkündet uns das Motivationsschild und oben dann „Steiler ist geiler!“. Ein wichtiger Hinweis, aber die Meisten dürften es auch so bemerkt haben! Bald ist auch die Ruine der ehemaligen, um das Jahr 1000 errichteten, Waldenburg erreicht. Für kurze Zeit gab es in ihr wie in meinem Heimatort Waldbreitbach auch mal eine Kommende (Niederlassung/Verwaltung) des Deutschen Ordens.
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Nach Überquerung der Straße nach Helden werden wir bei km 7 an der ersten von acht Verpflegungsstationen mit Wasser gestärkt, später werden noch Iso, Cola, Kuchen, Riegel und Obst dazukommen. Ein richtig starker Trailabschnitt fordert uns auf den nächsten ca. zwei km. Eng, naß, matschig, alles ist dabei, was zu diesem Sauwetter dazugehört. Hoffentlich gibt es davon im weiteren Verlauf noch mehr, das macht echt Spaß und wir sauen uns direkt ordentlich ein. Weit über das Land ins Tal der Bigge können wir nach dem Waldaustritt sehen und ich muß schauen, wie ich die Kamera vor dem steten Regen gerettet bekomme. Raus aus dem Tütchen, rein ins Tütchen, ein ständiger Wechsel, der sich aber lohnt.
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Die anfangs gewonnenen Höhenmeter hatten wir nach rund 10 km schon wieder vollständig eingebüßt, etliche davon müssen bis zur zweiten Versorgungsstation bei etwa km 12 wieder genommen werden. Hier stehen die Reservistenkameraden, schön, daß die sich auch hier einbringen. Nach rund einem Viertel der Strecke biegen wieder nach Westen in Richtung Start und Ziel ein. Nach der Ortschaft Dünschede müssen auf asphaltiertem Weg wieder etliche Höhenmeter genommen werden. Die Schlange auf der Straße kurz vor VP 3 hat leider ihr Leben ausgehaucht; an einem Baum, entdecke ich das Wegzeichen des Jakobswegs. Gibt es eigentlich Wanderwege, die nicht damit in Verbindung stehen? Man meint fast, nein, so häufig sieht man sie. Nach gut eineinviertel Stunden überholt mich der führende Halbmarathoner, der eine halbe Stunde nach uns gestartet war, geflogen muß er sein. Ich knipse auch den Führradfahrer und der revanchiert sich direkt.
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Ein schönes Romantikhotel erfreut nur kurz das Auge, bevor es auf etlichen Auf- und Ab-km über Stock und Stein gegenüber der 4. Versorgung ein weiteres historisch bedeutendes Bauwerk zu bewundern gilt: Die Burg Schnellenberg. Anfang des 13. Jahrhunderts als Schutzburg des Kölner Erzbischofs für Attendorn errichtet, war sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts vom Verfall bedroht, wurde glücklicherweise gerettet und wird seitdem als Hotel und Restaurant genutzt. In der Oberburg ist eine kleine Kapelle im Originalzustand von 1600 komplett erhalten. Schade, da hätte ich gerne mal hineingeschaut. Unmittelbar an der Burgmauer entlang führt ein schmaler Pfad bald steil nach links bergab, in der ersten engen Kurve ist es tierisch matschig und meine beiden Begleiter rudern wie wild mit den Armen, um nicht abzuschmieren.
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Wir nähern uns über einen komfortabel zu laufenden Radweg entlang der Bigge der Halbzeit, an dessen Ende bei km 19 ein paar undramatische Serpentinen wieder nach oben führen. Kurze Zeit später trennen sich die Wege der Halb- und Ganzläufer, schlagartig wird es ruhig, denn nur rund 80 Marathoner verteilen sich auf der Strecke. Nördlich des Biggesees, knapp unterhalb von Attendorn, geht es dann in Richtung Nordwesten auf die zweite Hälfte. Etwas Gewaltiges hat sich übrigens in diesem Jahr verändert: Seit dem 19. März darf sich das 25.000 Einwohner-Städtchen nämlich mit dem Beinamen „Hansestadt“ schmücken. Hansestadt? Im Sauerland? Ich denke dabei sofort an bedeutende meernahe Städte im Norden wie Bremen, Hamburg, Lübeck, Rostock, oder Danzig. Das aber wäre eine unzulässige Beschränkung, wie ich lerne, denn in der Hanse waren bis zu 200 Städte in einem losen Handelsverbund zusammengeschlossen. Und das nicht nur in Germanien, sondern auch z.B. in Schweden und den Niederlanden. Aus- und Eintritte, Zusammenschlüsse und Verfeindungen waren an der Tagesordnung.
Lost in Listernohl
Am Attendorner Knast vorbei kommt bald der 5. VP. Es läuft gut, auch wenn das Wetter schlecht ist, ich aber bin gut gelaunt immer auf der Suche nach einem passenden Fotomotiv. Ich laufe nach Neu-Listernohl hinein, immer den bekannten Markierungen (kurze Stücke Flatterband und orange Punkte auf dem Boden) hinterher. Es wird irgendwie einsam. Ich schaue mich um, ein Läufer folgt, alles klar. An der nächsten Kreuzung fehlt dann die Markierung. Ich warte auf den anderen, der wetzt ins nächste Café, kommt gleich darauf wieder heraus. Wir waren die ersten hier! „Kein Problem“, sagt er und lacht, „heute dürfen wir uns einen Ultra aufschreiben!“. Wir also zurück, ich vorneweg und schon haben wir den Weg gefunden. Laufen weiter und sehen plötzlich das 40 km-Schild. Au Backe, das paßt nicht. Ach, meint der Kamerad, hier stand für ihn schon so manches Schild komisch, das sei bei dem sicher auch so. im Übrigen passe die Richtung. Na gut.
Wir überqueren die Eisenbahn und laufen ein Stück hoch und stehen – am Leuchtturm. Der aber markiert definitiv den letzten km. Also umgedreht und wieder nach Neu-Listernohl, ich wieder vorneweg. Und dann war er weg. Mein Begleiter. Und der markierte Weg. Sch…, was machen? Ich irre durch den Ort, ein paar Jungs schauen mich mit großen Augen an. Jaja, ich habe mich verlaufen, kläre ich sie auf. Da müsse ich lang und sie zeigen in Richtung Ziel. Da aber komme ich doch gerade her. Was tun? Langsam schwillt meine Halsschlagader. Nochmal ein paar Straßen abgelaufen und da habe ich sie wieder! Gott sei’s geklagt. Dann aber wird mir klar, daß dies das Ende der zweiten Runde ist und ich dem Feld entgegenlaufe. Einen kurzen Augenblick denke ich darüber nach, auf diese Weise, quasi rückwärts, wenigstens die 42 km vollzumachen, aber dann wird mir der Unsinn so richtig bewußt. Ich finde den richtigen Einstieg nicht mehr und resigniere. Mache meine Startnummer ab und jogge zum wiederholten Mal in Richtung Ziel. 2011 DNF (Did not finish), 2012 DNF (Did not find).
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Entlang des Sees schauen mich einige Leute verwundert an – bilde ich mir zumindest ein – um als Gipfel der Peinlichkeit werde ich ein paar nette Menschen auch noch angefeuert, als ich die letzte Kurve vor dem Ziel gehend nehme. Meine Güte, ist mir das unangenehm. Ich versuche mich am Ziel vorbeizuschleichen, aber einer der Offiziellen fängt mich vor der Zielverpflegung ab. Ich erkläre ihm, daß ich mich verlaufen habe, aber Näheres interessiert ihn nicht, er will nur meine Startnummer wissen. Josef ist nach seinem Halbmarathon schon frisch geduscht und dient als Prellbock für meine schlechte Laune. Der gute Kerl ist ein echter Freund. Dann gehe ich zum Duschen (sauber, heiß!) und bin bald wenigstens äußerlich ein neuer Mensch und falle nicht mehr so auf. Meine ich zumindest.
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Wir warten noch auf Peter und unterhalten uns mit einigen Läufern. Ich erfahre – irgendwie beruhigt es mich schon ein wenig – daß ich wohl nicht der einzige Depp war, der sich verlaufen hat. U. a. war wohl neben fehlgeleiteten Einzelläufern auch eine ganze Gruppe auf dem Holzweg, hat aber vermutlich zurückgefunden. Auch Peter war mal kurzzeitig desorientiert. Also, man kann es drehen und wenden, wie man will: Natürlich bin ich in erster Linie selbst schuld, wenn ich den Weg verfehle, und als laufender Reporter, der ständig auf der Suche nach dem ultimativen Fotomotiv ist, bin ich nicht so aufmerksam wie die meisten anderen. Aber die Strecke muß idiotensicher (also für mich) ausgeschildert sein und da reichen ein paar Flatterbänder und kleine Punkte auf dem Boden nicht aus. Insbesondere, wenn man durch einen kleinen Verlaufer vom richtigen Weg abzukommen droht, muß auch ein Streckenposten stehen. Der war an der betreffenden Stelle nicht da, denn mein Abdriften ist ja keinem aufgefallen.
Obwohl das meinem Ego nicht wirklich gut tut, schaue ich mir abschließend noch die Siegerehrung an. Und etwas genauer die Urkunden. Handschriftlich (!) sind darauf die Plätze und Namen (ohne Laufzeit!) vermerkt, sicherlich nicht mehr ganz zeitgemäß.
Alles das ändert aber nichts daran, daß dies hier ein schöner und auch gut und mit Herzblut organisierter Lauf ist, der für mich nach 3 Stunden und 10 Minuten durch kleine, aber entscheidende Versäumnisse ein unangenehmes Ende nahm. Bitte, liebe Organisatoren, legt Eure Ortskenntnis ab und versetzt Euch in die Lage von ortsfremden und nicht mehr frischen oder anderweitig abgelenkten Läufern, dann weicht auch der laufende Reporter künftig nicht mehr vom Pfad der Tugend ab.
Streckenbeschreibung: Welliger, abwechslungsreicher Landschaftsmarathon (Einrundenkurs) mit rund 770 Höhenmetern, überwiegend auf Wald- und Wirtschaftswegen.
Startgebühr: 22 €, 4 € Nachmeldegebühr.
Zeitnahme: Manuell.
Rahmenprogramm: Kleine Sportartikelmesse des Hauptsponsors, Gastronomie durch die Strandpiraten.
Weitere Veranstaltungen: Halbmarathon mit 320, Viertelmarathon mit 210 Höhenmetern.
Auszeichnung: Medaille, Urkunde übers WWW, Präsente für die jeweils ersten drei Frauen und Männer.
Logistik: Alles inkl. Duschen zentral am Campingplatz Waldenburg (an Start/Ziel).
Verpflegung: Ca. alle 5 km und am Ziel mit Wasser, Iso, Obst, Riegel, Kuchen, gute Zielverpflegung.
Zuschauer: Sehr übersichtlich.
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