„Brechkübel“ haben wir nach exakt einem km in Richtung Oberissigheim über plattes Land verlassen, die Pace stimmt mit 4:59 min/km auf eine Sekunde perfekt: Ich werde versuchen, möglichst einen glatten Fünferschnitt zu laufen, mindestens jedoch deutlich unter 1:50 Std. zu bleiben. Nach 1,5 km passieren wir die restaurierte und wieder bewohnte ehemalige Fechenmühle, die ich aber aufgrund der zahlreich angebauten Hallen nicht ausmachen kann. Ich erinnere mich noch gut, wie ich als Panz seinerzeit so manches Beutestück aus der damaligen Ruine mit nach Hause brachte. Ich bin vorgewarnt: Die Strecke sei hügelig und „nicht ohne“. Der erste Anstieg bei km 2,5 ist für einen Westerwälder moderat, eigentlich nicht der Rede wert.
Ausgangs des dritten km befinden wir uns in Oberissigheim (1.500 Einwohner), das wir nach bereits wenigen hundert Metern wieder verlassen. Anderthalb weitere km benötigt es, um über freies Feld nach Niederissigheim („Issgem“, 3.000 Einwohner) zu gelangen. Die Streckenführung empfinde ich als attraktiv, auch wenn die Belastung für viele Läufer durch die große Wärme und das fast vollständige Fehlen von Schatten auf der ersten Hälfte hoch sein dürfte. Es ist schön für mich, auf altbekannten und vertrauten Straßen und Wegen unterwegs zu sein. Die zweite kurze, aber ruppige Steigung zwingt einige schon zum Gehen, ich drücke hoch und bin bald oben. Die Verpflegungsstelle (insgesamt vier, eine davon doppelt für den Hin- und Rückweg ausgelegt, sehr eifrige Helfer) lasse ich bis auf die Schwämme aus, da ich Dank mitgeführter Trinkflasche autark bin. Die Metzgerei Eidmann erkenne ich sofort wieder und auch die Lönsstraße, in der mein Freund Rüdiger im ehemaligen elterlichen Haus lange gewohnt hat. Auch wenn ich Jahrzehnte nicht mehr hier gewesen bin, entdecke ich vieles Bekannte.
Nach Unterquerung der Landstraße zwischen Roßdorf und Oberissigheim biegen wir links ab. Im Knick steht ein Anfeuerungsplakat für die TCB-Runners, denen meine Schwester Ulla angehört. Ich sehe dabei eine Frau und einen Mann sitzen, daß es sich bei dem Mann um den Felix handelt, höre ich erst später, da hat mich die Gesichtserkennung doch im Stich gelassen. Zwei Drittel der 10 km-Strecke liegen hinter uns, als uns Niederissigheim wieder ausspuckt und, kurze Zeit parallel zu Bloch- und Krebsbach, wieder zurück nach Bruchköbel führt. Zarte Erinnerungen kommen beim Vorbeilaufen am Rosenring hoch…
Insgesamt dreimal unterstützen uns liebe Menschen, die ihre privaten Gartenduschen aufgestellt haben bzw. uns mit einem Gartenschlauch Abkühlung anbieten. Allerdings findet der Lauf leider fast unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt, nur ganz wenige Menschen stehen am Rand und spenden Beifall. Aber Helfer hat’s ohne Ende, an praktisch allen Ecken stehen sie in Gelb und verhindern erfolgreich unser Verlaufen. Von km 8 bis 9,5 begleiten uns noch die 10 km-Läufer, teils über die mit Birken bepflanzte „Hochzeitsallee“ (meine Birke ist wohl mal, passend zur ersten Ehe, eingegangen und neu gepflanzt worden), dann teilen sich die Wege: Die Zehner biegen nach rechts zum Ziel ab, wir links zum Wald, den wir bei exakt km 10 erreichen.
49:32 Minuten sind vergangen, das Tempo paßt in fast beängstigender Weise. Fünf km lange Geraden im Wald liegen nun vor uns, die aber nicht wirklich ein Problem bedeuten. Erstens ist es schattig und zweitens kann man gut seinen Gedanken nachhängen, auch sind die Wege fast durchgehend fest und daher gut zu belaufen. Obwohl ich schon aufpassen muß, denn zu schnell schweife ich ab und falle in ein Wohlfühltempo zurück, das hier und heute nicht angesagt ist. Die km 10 bis 14 verlaufen als exaktes Rechteck. Auf einer kurzen Wendepunktstrecke bei gut km 15 kann ich die Mitläufer der eigenen Preisklasse prima begutachten. Interessanterweise laufen die meisten sehr konstant, nur zweimal werde ich auf der zweiten Hälfte kassiert, vier oder fünf Konkurrenten überhole ich selber. Irgendwo zwischendrin steht meine Schwester Jutta mit ihrem Mann Andreas zum Anfeuern und für einen Schnappschuß des laufenden Helden, danke!
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