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1. Darmstadt-Marathon am 06.09.2008

 

An der Wiege des Lauftreffs

„Darmstadt ist die Wiege des Lauftreffs und somit der Marathon nur ein folgerichtiger Schritt“. Mit diesen Worten charakterisiert die Schirmherrin des 1. Darmstädter Marathons in Verbindung mit der 33. Austragung der Internationalen Sparkassenmeisterschaften, Bundesjustizministerin Brigitte Zypries, diesen neuen Termin im Marathonkalender und lud nach Darmstadt ein. Hier werden heute zum 200. Geburtstag der Sparkasse Darmstadt in einer offenen Veranstaltung die Meister(innen) der Sparkassenorganisation im 10 km-, Halbmarathon- und Marathonlauf ermittelt. Selbstverständlich darf marathon4you.de bei einer Premiere nicht fehlen und so schnüre ich die Laufschuhe und werde heute Strecke und Organisation testen.

Beginnen wir mit der Organisation: 14 Tage vor dem Lauf war mit der Meldebestätigung eine sechsseitige Läuferinformation eingetroffen, die wirklich auch die allerletzte Frage umfassend beantwortete, ein schöner und beispielhafter Service. So kann ich diese ausgedruckt (für alle Fälle) mitbringen und mich jederzeit auch als Ortsunkundiger orientieren. Dies ist auch sinnvoll, denn der gesamte logistische Bereich ist doch recht weit auseinandergezogen. Vor allem liegt die Masse der Parkplätze für die Teilnehmer doch einige Fußminuten vom Ort des Geschehens entfernt, was Auf-den-letzten-Drücker-Kommende unbedingt berücksichtigen müssen. Diese sechsseitige Läuferinfo, entdecke ich später, ist auch auf der Homepage etwas versteckt am Ende der FAQ herunterzuladen.

Relativ wohnortnahe Veranstaltungen ersparen Übernachtungen, aber leider nicht das Aufstehen. Fluchend schäle ich mich um 04.30 Uhr (am Samstag!!!) aus der Kiste und bin ich nach gut anderthalb Stunden Fahrzeit um 06.45 Uhr vor Ort. Ins Navi sollte man eine bestimmte Adresse eingeben und die führt exakt zur Startaufstellung. Folglich nerven eine große Zahl an Läufern die Posten vor Ort, die uns dann einen anderen Weg ins Parkhaus der TU weisen. Extra ausgeschildert ist das nicht, für Fremde ein vermeidbares Problem. Der Weg vom Parkhaus zur Startnummernausgabe ist leider auch nicht ausgeschildert, aber der Zug der Lemminge findet dann doch irgendwie hin. Diese beiden Unzulänglichkeiten sollten zum nächsten mal zu beheben sein.

Prima dann die Startnummernausgabe in einer großen Sporthalle, auf deren Tribüne man es sich gemütlich machen und die auf der Spielfläche stattfindende kleine Messe beobachten kann. Damit unterwegs nichts schiefgeht, kaufe ich bei Udo Lohrengel noch zwei Gels und erfahre von ihm, daß seine Frau Birgit Lennartz am Start ist. Drei mal dürft Ihr raten, wer die Marathonwertung bei den Frauen gewonnen hat... Volker Berka treffe ich mal wieder mit seiner Frau und so vergehen die Minuten des auf-den-Start-Wartens schnell. Fix will ich dann um 08.10 Uhr noch meine Tasche abgeben (Start ist um 08.30 Uhr) und treffe auf eine Riesenschlange vor der benachbarten Halle. Innerlich schminke ich mir mit meinen Leidensgenossen schon das rechtzeitige Eintreffen am Start ab, aber nach 10 Minuten hat’s dann doch geklappt.

Wie war das mit der Wiege des Lauftreffs? Darmstadt ist in der beneidenswerten Lage, einen der ältesten (seit 1974) und vermutlich auch größten Lauftreffs mit rund 60 (!) Betreuern sein eigen zu nennen. Darmstadt, viertgrößte Stadt Hessens mit rund 130.000 Einwohnern, ist auch eine wichtige Sportstadt: Der Deutsche Verband für Modernen Fünfkampf, in Peking goldmedaillengestählt, und der Deutsche Leichtathletikverband, ebendort gnadenlos und hochpeinlich erfolglos (oder vielleicht war es der einzige „saubere“ Verband?), haben hier ihren Sitz. Nicht zuletzt spielt im Stadion am Böllenfalltor der SV Darmstadt 98, 2 Jahre in der ersten Bundesliga, der viele Spiele gegen „meine“ Offenbacher Kickers ausgetragen hat. An Bruno Labbadia erinnere ich mich gerne, ein Spieler, wie ich sie mag: Gradlinig, immer hunderprozentigen Einsatz zeigend... Doch weg mit den Fußballgedanken, ich bin doch zum Laufen hier!

Am Start müßte auch Marathon-Weltrekordler Horst Preisler sein, leider kann ich ihn in der Menschenmenge nicht erkennen. Ihn hatte ich bei meinem letzten Marathon in Bad Pyrmont vor die Linse bekommen, wo er mir erzählte, gerade seine Nr. 1.567 zu absolvieren. Heute sollte, wenn ich das richtig verfolgt habe, Nr. 1.574 an der Reihe sein. Mit meiner Nr. 24 komme ich mir ganz klein vor, dabei bin ich doch eigentlich ein Held...

Die Startaufstellung und der Start erfolgen in der Nieder-Ramstädter Straße, abhängig von der Zielzeit, in fünf Blöcken. Jetzt schnell dorthin, da höre ich eine bekannte Stimme im Interview: Brigitte Zypries, Bundesjustizministerin und Schirmherrin der Veranstaltung. Die wird noch schnell abgelichtet und ab in den Block. Jawohl, eine Einlaßkontrolle findet statt. Prima. Komischerweise steht  innen aber dann doch wieder alles kunterbunt durcheinander. Ich bin im zweiten Block und befinde mich also mitten im Geschehen, Horst vermutlich im fünften. Allgemeines Scharren mit den Hufen und pünktlich um 08.30 Uhr schickt man uns los. Zunächst geht’s nach Norden in Richtung Stadt. Allerdings, und das sei an dieser Stelle bereits vermerkt, handelt es sich heute nicht um einen Stadtmarathon, denn die Masse der Laufstrecke verläuft südostwärts der Stadt im Wald.

Sofort rächt sich der gemeinsame Start von 6.200 Teilnehmern in 4 verschiedenen Wettbewerben. Insbesondere die 10 km-Läufer tun mir leid, die sich durch Heerscharen von - natürlich – langsameren Halblingen und Volldistanzläufern durchmogeln müssen. Das kostet unnötige Kraft und sollte im Sinne der Athleten geändert werden. Allerdings hat das auch etwas sehr Gutes: es ist jede Menge los auf der Gass‘ und es gibt entsprechend viel zu sehen. Das ist die Qual der Wahl: wie man’s macht, macht  man’s verkehrt!

Darmstadt_1

Wir biegen nach rechts ab und umrunden den Alten Darmstädter Friedhof, der zu seiner Gründungszeit 1828 noch außerhalb der Stadt lag, und stoßen nach 2 km auf den in den vergangenen beiden Jahrhunderten mehrfach „umgezogenen“ Botanischen Garten, sehen aber leider nicht viel davon. Keinen halben km später streifen wir das Vivarium, den seit 1965 bestehenden Darmstädter Zoologischen Garten, der auf 4 ha Fläche 150 Tierarten und 700 Tieren eine Heimat bietet, und bei km 3 die Technische Universität Lichtwiese. Die erste nennenswerte Steigung nehme ich kaum wahr. Vorbei am Stadion Böllenfalltor biegen wir nach 5 km in Richtung Süden in den Wald ein und steuern Trautheim und Traisa an, bleiben aber leider nördlich beider Ortschaften im Wald. Denn zumindest die Villenkolonie Trautheim („Bilderbuch der Architektur“) hätte bestimmt einige tolle Fotomotive abgegeben. Der Waldweg ist prima zu laufen. Vor der ersten Weggabelung treffe ich auf Svetlana Penner vom LT Heimbach-Weis und wechsele mit ihr ein paar Worte. Dadurch registriere ich nicht, wer nach rechts und wer nach links muß. Nach links ist weniger los, das müssen also die Marathonis sein. Nach guten 100 m bemerke ich dann meinen Fehler und muß zurücklaufen. Wenigstens keine 4 km Umweg wie in Windhagen!

Zwischen Trautheim und Traisa überqueren wir erstmals die Eisenbahnlinie und peilen ein ganz markantes, geschichtsträchtiges Bauwerk an: den Dippelhof. Im Dreißigjährigen Krieg zerstört, wurde das Hofgut 1710 wieder aufgebaut, trägt mittlerweile starke Elemente des von mir heißgeliebten Jugendstils. Zuletzt 1993 renoviert man den Bau umfassend.

Bei Km 12 bekommen wir optisch von der Umrundung des Jugendzentrums nichts mit, wohl aber an Km 14 bei der Überquerung der B 26. Ich nehme jeder Gelegenheit zur Verpflegungsaufnahme wahr. Das Angebot ist sehr gut (Schwammbottiche, stilles Wasser, Mineralwasser, Iso, Bananen, Riegel, Äpfel, Orangen und später auch Cola) und, wie fast immer, sind die Stationen mit netten und sichtbar motivierten Freiwilligen besetzt. Ab km 8 gibt’s alle 5 km jeweils noch zusätzlich Wasser. A propos Wasser: das kam gelegentlich auch von oben, insbesondere zu Beginn meiner zweiten Runde, war aber insgesamt undramatisch.

Ab km 16 wird in der ersten Runde eine Schleife um den Park Rosenhöhe gelaufen (Wendepunktstrecke). Wegen der damit verbundenen Abkürzungsmöglichkeit von 4 km bin ich von so etwas nie begeistert. Aber unsere Freunde von Mika-Timing stehen an der Kehre mit einer Zeitmeßmatte und verhindern so Böses bereits im Ansatz. Ich habe den Betrüger aus Rostock in Palermo 2005 nicht vergessen, über solche grobe Unfairness kann ich mich wirklich aufregen. Schön bei diesen Begegnungsgefechten ist, daß man die vorderen Läufer auch nochmals zu Gesicht bekommt.

2 Bahnübergänge bei 18,6 und 39,4 km sind zu erwähnen, die ggf. max. 25 sek Wartezeit verursacht hätten (Verpflegungsstation zum Zeitvertreib), aber ich komme glatt durch. Gut ist, daß die Marathon-Staffelläufer zwei Startnummern haben, die sie auf Brust und Bauch tragen müssen. So sind sie von jeder Seite gut zu erkennen und von Einzelläufern zu unterscheiden. Es kann einen nämlich schon frustrieren, wenn man zu einem fortgeschrittenen Zeitpunkt des Rennens reihenweise „kassiert“ wird, obwohl man überzeugt ist, gar nicht so langsam unterwegs zu sein. Genau das aber ist der Fall, denn offensichtlich halten sich die wenigsten an diese Regel.

Bei Halbzeit geht’s ins Hochschulstadion, das gut besetzt ist. Hier dürfen die Halben ins Ziel laufen, während wir bedauernswerten Geschöpfe noch auf eine Strafrunde geschickt werden. Also am anderen Ende wieder raus aus dem Stadion. Jetzt wird es doch etwas ruhiger auf der Strecke, aber die Wege sind immer noch gut gefüllt. Beim zweiten Überqueren der B 26 wird von unten gehupt und von oben gewunken. An km 5 bzw. 23 steht ein Moderator und nennt viele Athleten beim Namen, das finde ich nett und motivierend. Beim ersten mal knipse ich die Zuschauer und gerate so in sein Visier, beim zweiten mal knipse ich ihn zur Strafe. Kurz danach kommt eine ansehnliche Samba-Combo, die mit viel Schwung und Lautstärke versucht, den Regen zu vertreiben.

Es ist doch interessant, wie sich die Wahrnehmung im Verlauf körperlicher Anstrengung verändert. Die gleiche größere Steigung nehme ich beim zweiten mal optisch und gefühlsmäßig sehr wohl zur Kenntnis. Dramatisch ist sie aber in keiner Weise. Es geht wieder durch den Wald und et jeht janz flück voran. Das scheint heute eine ganz ordentliche Zeit zu geben, wenn ich durchhalte. Das tue ich erfreulicherweise. Nach km 41 wird die (noch) hinter mir laufende Steffi Schmahl angefeuert: „Du siehst super aus!“. Das kann ich nicht auf mir sitzen lassen: „He, was ist mir? Ich auch!“ So mit den letzten Streicheleinheiten versehen, laufe ich dann ein zweites mal, jetzt aber endgültig, ins Hochschulstadion ein und mein Arbeitstag ist nach 3:45 Std. beendet.

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Im Ziel wird noch manches nette Gespräch mit ebensolchen Leuten geführt. Das ist es, was unter anderem an unserem Sport so schätze. Hermann Lieb, 70 Jahre alt, lobe ich angesichts seines ästhetischen Laufstils und tollen Ergebnisses (3:50:19 Std.), was ihn sichtlich freut.  Bernd Knorr schwärmt vom letztjährigen Hawaii-Marathon und weckt bei mir neues Fernweh. Dann geht’s langsam wieder heim. Ich genieße vorher noch die heiße (!) Dusche im sehr großzügigen sanitären Bereich, dann geht’s heim. Zurück ist das Parkhaus leider auch nicht ausgeschildert, aber man trifft überall auf Auskunftsfreudige.

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Das war eine feine Veranstaltung heute: rege Beteiligung, ordentliche Strecke, gute und engagierte Organisation. Die Kinderkrankheiten werden bei der beabsichtigten zweiten Auflage sicher geheilt sein. Vieles wird sich vermutlich von selbst lösen, wenn die Masse der Sparkassler nicht mehr dabei ist. Im Kurzbericht der Hessenschau am Abend höre ich, daß die zweite Auflage über einen Innenstadtkurs führen soll. Das ist m.E. richtig und auch die einzige Möglichkeit, den Darmstadt-Marathon zu etablieren. Es mangelt ja nicht gerade an Gelegenheiten, einen Marathon zu laufen, und so muß sich ein neues Angebot schon etwas einfallen lassen. Und das ist auf einem Stadtkurs sicherlich besser machbar und erfolgversprechender als auf einem Landschaftskurs, dessen optische Reize, seien wir ehrlich, sich hier in Grenzen halten. Cityläufe ziehen halt i.d.R. doch mehr und ein Darmstadt-Marathon wird sich auf die Dauer kaum mit ein paar hundert Teilnehmern zufrieden geben können.

Jetzt freue ich mich, als nächstes mal wieder einen großen Stadtmarathon mit tollem Zuschauerzuspruch erleben zu dürfen: Kölle, ich komme!

Und auf Youtube gibt’s ein Video zum Lauf!