Noch 12 km? Brauche ich das heute wirklich? Nützt ja nichts, ich habe für 20 gemeldet. Die Bodenbeschaffenheit wechselt ständig. Erst Asphalt, dann Wald- und Wurzelweg, feiner Schotter, grober Schotter, Graswege, matschige Stellen vom letzten großen Regen an geschützten Stellen, wieder Asphalt. Ich fühle mich stark an den Eifelmarathon in Waxweiler erinnert, der heute parallel stattfindet und den ich im vergangenen Jahr gelaufen bin. Mann, war der anstrengend. Und irgendwie ist das hier und heute kein bißchen weniger anstrengend.
Die 10er Durchgangszeit ist mit gut 49 Minuten zwar prima im Soll, aber der Zustand des Herrn Bernath hat sich deutlich verschlechtert. Ich bekomme die Beine nur mit Mühe hoch und werde von fünf, sechs Konkurrenten in kurzer Zeit kassiert. Na endlich, nach km 10 geht der Erste. Das motiviert. An der zweiten Verpflegungsstelle will ich nicht noch mehr Zeit verlieren und greife mir nur in aller Eile einen Becher Wasser. Endlich wird es wieder etwas flacher und durch den schützenden Wald bei km 12 führt ein ausgefahrener, mit hohem Gras bewachsener unbefestigter Fahrweg. Hoch die Beinchen! Dann geht es bergab über eine, allerdings gemähte, Wiese. Mich beschleicht ein leicht ungutes Gefühl, denn wenn ich jetzt in ein verborgenes Loch träte...
Mit Riesenschritten läuft von hinten der Geher von vorhin wieder auf. ??? Na ja, er wollte auf seinen Kumpel bis zu einer bestimmten Uhrzeit warten und der kam nicht. Also habe ich doch keinen überholt. Ich beginne zu fürchten, nach hinten durchgereicht zu werden. Bei km 13,5 wartet angeblich der höchste Punkt der Strecke, aber ich weiß leider, daß uns ein weiteres munteres Auf und Ab erwartet. Sch..., da war ja noch der Abschnitt ab km 16, den wir ab km 6 gelaufen sind, da ging’s knackig hoch. Hilfe, hoffentlich steht die Sonne noch nicht so hoch, daß die Mauer noch Schatten spendet!
Wir überqueren eine Kreisstraße, die von der Feuerwehr gut abgesichert ist. Ein bremsendes Auto wird noch schnell vor mir durchgewunken und beschleunigt mit krachendem Getriebe. „Das ist der neue Mazda 2!“ rufe ich den Posten zu und ernte Gelächter. Na also, für blöde Sprüche reicht es doch noch.
Um km 15 geht es mir durch einige Bergabpassagen, die ich mit langgezogenem Schritt durcheilen kann, doch wieder besser. Aber die – ich gestehe es mir jetzt ein – ätzende Steigung ab km 16? Erste Gedanken ans Gehen beschleichen mich. Nein, nicht vor den Wanderern und Stockschleichern. Ich nicht! Hätte ich heute morgen mehr essen sollen? Optimal gefüllt sind die Kohlehydratspeicher sicher auch nicht. Warum auch, es handelt sich – zumindest in der Planung – ja nur um ein relativ harmloses Läufchen. Das sich für mich zum ausgewachsenen, alles fordernden Lauf entwickelt hat. Oh, welche Unterschätzung! Wieder werde ich kassiert. Das kann und soll so nicht weitergehen. Dazu kommt noch, daß ab dem 15. Kilometerschild zur Motivation der Moderator aus dem Dorf deutlich zu hören ist. He, wo ist hier die nächste Abkürzung?
Die erste Verpflegungsstelle bei (jetzt) km 16 ist gleichzeitig auch die dritte, Wasser hinein und weiter. Gut, Schatten an der Mauer ist noch da. Und die Steigung doch nicht so wild. Ich werde alt und verdränge Unangenehmes vorschnell. Hinter der Kurve erst geht es wieder stramm nach oben. Als nächstes kommt ja gleich km 18. Nein! Brennt mir die Sonne das Hirn aus dem Kürbis? Der 17. ist es erst. Mit zusammengebissenen Zähnen, den Blick gesenkt, quäle ich mich die letzten Höhenmeter hinauf, die ich dann bei km 18 auch wirklich erreicht habe. Ha! Hier ist mein Geher wieder am Gehen! Na? Na ja, sagt er, den Rest schaue er sich von hinten an. Doch einen überholt!
Und endlich darf ich bei der Streckenteilung, wo wir vorhin geradeaus laufen mußten, nach rechts abbiegen. In langen Sätzen eile ich bergab. Und wieder entläuft mir mein derzeitiger Mitläufer. Ich kann nicht mehr den nötigen Druck entwickeln und denke auch an die letzten rund 600 m, die im Dorf flach zurückgelegt werden müssen. Von wegen flach! Auch hier muß ich noch eigentlich leichte, jetzt aber eigentlich gar nicht so leichte Steigungen nehmen. Nimmt das denn kein Ende mehr? Eine letzte Linkskurve und ich erblicke das Himmelreich: den Zielbogen. Nicht mal mehr zu einem gequälten Lächeln fürs Zielfoto reicht es.
Gut, mit der Zeit von 1:38:59 Std. kann und muß ich zufrieden sein. Aber, meine Herren Gesangsverein, dieses „Läufchen“ habe ich gewaltig unterschätzt. Sehr abwechslungsreich, sehr schön, aber auch SEHR anstrengend. Liebe Bekannte im Ziel lassen die Anstrengung aber schnell verfliegen. Tom hat heute die 10 km gemacht und gestern den 6 Stunden-Lauf in Fellbach. Hatte ich eben von meiner Erschöpfung gesprochen? Bei solchen Erzählungen werde ich ganz schnell ganz leise...
Dank leckerem Kuchen schnell wieder zu Kräften gekommen, verstehe ich jetzt auch, weshalb Sesam in 2006 seiner Überschrift: „Verflucht Toni Weil!“ am Ende seines Berichts durch eine winzige Ergänzung zu einer ganz anderen Bedeutung verhalf: „Verflucht! Toni Weil und die über 80 Helfer des LT Dernau haben da eine wirklich tolle Veranstaltung auf die Beine gestellt.“ Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
Streckenbeschreibung: 20 km-Kurs, km 6-8 als km 16-18 doppelt zu laufen mit ca. 360 Höhenmetern. Äußerst abwechslungsreiche und anspruchsvolle Strecke mit verschiedensten Untergründen (Stabilschuhe empfohlen).
Kosten/Auszeichnung: 5 € für die 10 und die 20 km-Strecke, Urkunden vor Ort für die jeweils drei Schnellsten, Nachsendemöglichkeit für den Rest (3 €), Läufertröpfchen (Ahrwein) für 5 €.
Logistik: Gesamte, hervorragende Organisation konzentriert in der Sporthalle der Grundschule Dernau und davor im Pausenhof.
Verpflegung: Zwei Verpflegungsstände, der erste zweimal anzulaufen (Wasser und Schwämme). Hinterher erst (leider) habe ich gehört, daß es gegenüber der Wasserausgabe auch Wein für die Wanderer gab...
Zuschauer: Am Start gutes Interesse, unterwegs nur ein paar Versprengte.
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