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28. Rotweinwanderweg-Volkslauf
am 14.06.2009

 

Im Frühtau zu Berge

Logo_Dernau

Ich bin erst bei km acht und mein Schritt wird schon deutlich schleppender. Was soll das denn? So ein „dämlicher“ Volkslauf wird mich doch nicht kleinkriegen? Wäre doch gelacht, wenn ich diese kleine Herausforderung zwischen meinen Marathons nicht mit Links schaffen würde. Schließlich bin ich gut trainiert und auch nicht der Langsamste. Meine Sohlen schleifen über den Boden und wirbeln erste Staubfahnen auf. Und ich werde immer langsamer...

Frohgemut bin ich mit meinem Freund Josef heute an die Ahr gefahren, ein liebliches Flüßchen in einem ebensolchen Tal, wo die herrlichsten Rotweine produziert werden und der Fremdenverkehr boomt.

Endlich, endlich gibt es mal keine Parallelveranstaltung, der ich meine, den Vorzug geben zu müssen. Und so freue ich mich auf 20 km bei 360 Höhenmetern. Das wird heute eine schöne, nicht zu anstrengende Trainingseinheit werden in Vorbereitung auf weitere lange Läufe. „Verflucht Toni Weil!“ schrieb zwar im Jahr 2006 mein Lauffreund Joachim „Sesam“ Ewen, der aber mit Sicherheit nicht optimal vorbereitet an den Start gegangen war, in Anspielung auf den damaligen Organisator. Denn einem echten Marathoni machen schlappe 20 km durch die Weinberge nichts aus. Fast noch im Frühtau um 9 Uhr wird eine stattliche Läuferschar auf die Reise geschickt.

Im Frühtau zu Berge wir geh´n, fallera,
es grünen die Wälder, die Höhn, fallera.
Wir wandern ohne Sorgen
singend in den Morgen
noch ehe im Tale die Hähne kräh´n.

Höhenprofil_300

Nicht gerade singend, aber ohne Sorgen laufe ich los. OK, ein Fünferschnitt kann kein Thema sein, gut, ein paar Minuten draufgerechnet für die paar Höhenmeter, das müßte passen. Der erste km durchs Dorf zieht sich etwas, da ich nicht gut überholen kann, die Horde ist noch recht dicht. Ein wenig zügiger könnte es schon gehen, aber ich kann ja später noch zulegen. Nach drei km sind wir mitten in den Weinbergen und ich riskiere mal einen Blick nach oben, wo ich die Spitze des Feldes erkennen kann. Jetzt soll die Hauptsteigung kommen. Gut, es geht deutlich nach oben, aber mit gesenktem Blick und strammem Schritt wird der eine oder andere überholt.

Warm ist es, das merke ich schon, denn am Himmel ist keine Wolke. Aber das spielt keine Rolle, denn wir tauchen auf einem tollen schmalen Wurzelweg in dichten Wald ein, der uns für den nächsten km nicht loslassen wird. So etwas liebe ich. Leichtfüßig springe ich von Stein zu Stein, über Wurzeln und freue mich meines Lebens. Gut, daß  ich vorher noch überholt habe, denn auf diesen Pfad passen keine zwei nebeneinander. Leicht bergab geht es zu km 5, gut 24 Minuten sind vergangen und ich riskiere den einen oder anderen Blick in die herrliche Gegend.

Ihr alten und hochweisen Leut, fallera,
ihr denkt wohl wir sind nicht gescheit, fallera,
Wer wollte aber singen,
wenn wir schon Grillen fingen
in dieser herrlichen Frühlingszeit?

Bei km 6 fällt mir auf, daß ich diese Strecke wohl zweimal laufen darf, denn km 16 ist parallel ausgeschildert. Ich ertappe mich dabei, daß ich ganz automatisch hart an der Weinberg-Stützmauer laufe, die Schatten bietet. Nein, den brauche ich natürlich nicht, es ist nur zufällig die Ideallinie. Das ständige Auf und Ab erfordert mehr Armeinsatz als sonst, fällt mir auf, aber was soll’s! Die erste Verpflegung bei etwa km 6 wird zum Tanken genutzt (Wasser), auf den angebotenen Schwamm verzichte ich großzügig. Bei km 7 muß ich die Beine doch bewußter anheben, um im Tritt zu bleiben und höre bei km 8 Atem in meinem Nacken. Kurze Zeit später werde ich überholt. Der Kamerad ist eindeutig zu schnell für mich und ich lasse ihn ziehen. Die Sonne auf der freien Fläche wärmt doch schon ganz gut. Bald danach zweigt die 10 km-Strecke ab und wir werden auf eine Zusatzschleife geschickt. Erste Gedanken beschleichen mich, daß es 10 km heute vielleicht auch getan hätten. Und ich frage mich, ob ich da hätte schneller laufen können als bisher. Wenn ich ehrlich bin: Sehr viel mehr wäre kaum drin gewesen. Und schon klingt es wie ein Hohn:

Werft ab alle Sorgen und Qual, fallera,
und wandert mit uns durch das Tal, fallera,
Wir sind hinausgegangen,
den Sonnenschein zu fangen:
Kommt mit und versucht es auch selbst einmal !

Dernau_Strecke

Noch 12 km? Brauche ich das heute wirklich? Nützt ja nichts, ich habe für 20 gemeldet. Die Bodenbeschaffenheit wechselt ständig. Erst Asphalt, dann Wald- und Wurzelweg, feiner Schotter, grober Schotter, Graswege, matschige Stellen vom letzten großen Regen an geschützten Stellen, wieder Asphalt. Ich fühle mich stark an den Eifelmarathon in Waxweiler erinnert, der heute parallel stattfindet und den ich im vergangenen Jahr gelaufen bin. Mann, war der anstrengend. Und irgendwie ist das hier und heute kein bißchen weniger anstrengend.

Die 10er Durchgangszeit ist mit gut 49 Minuten zwar prima im Soll, aber der Zustand des Herrn Bernath hat sich deutlich verschlechtert. Ich bekomme die Beine nur mit Mühe hoch und werde von fünf, sechs Konkurrenten in kurzer Zeit kassiert. Na endlich, nach km 10 geht der Erste. Das motiviert. An der zweiten Verpflegungsstelle will ich nicht noch mehr Zeit verlieren und greife mir nur in aller Eile einen Becher Wasser. Endlich wird es wieder etwas flacher und durch den schützenden Wald bei km 12 führt ein ausgefahrener, mit hohem Gras bewachsener unbefestigter Fahrweg. Hoch die Beinchen! Dann geht es bergab über eine, allerdings gemähte, Wiese. Mich beschleicht ein leicht ungutes Gefühl, denn wenn ich jetzt in ein verborgenes Loch träte...

Mit Riesenschritten läuft von hinten der Geher von vorhin wieder auf. ??? Na ja, er wollte auf seinen Kumpel bis zu einer bestimmten Uhrzeit warten und der kam nicht. Also habe ich doch keinen überholt. Ich beginne zu fürchten, nach hinten durchgereicht zu werden. Bei km 13,5 wartet angeblich der höchste Punkt der Strecke, aber ich weiß leider, daß uns ein weiteres munteres Auf und Ab erwartet. Sch..., da war ja noch der Abschnitt ab km 16, den wir ab km 6 gelaufen sind, da ging’s knackig hoch. Hilfe, hoffentlich steht die Sonne noch nicht so hoch, daß die Mauer noch Schatten spendet!

Wir überqueren eine Kreisstraße, die von der Feuerwehr gut abgesichert ist. Ein bremsendes Auto wird noch schnell vor mir durchgewunken und beschleunigt mit krachendem Getriebe. „Das ist der neue Mazda 2!“ rufe ich den Posten zu und ernte Gelächter. Na also, für blöde Sprüche reicht es doch noch.

Um km 15 geht es mir durch einige Bergabpassagen, die ich mit langgezogenem Schritt durcheilen kann, doch wieder besser. Aber die – ich gestehe es mir jetzt ein – ätzende Steigung ab km 16? Erste Gedanken ans Gehen beschleichen mich. Nein, nicht vor den Wanderern und Stockschleichern. Ich nicht! Hätte ich heute morgen mehr essen sollen? Optimal gefüllt sind die Kohlehydratspeicher sicher auch nicht. Warum auch, es handelt sich – zumindest in der Planung – ja nur um ein relativ harmloses Läufchen. Das sich für mich zum ausgewachsenen, alles fordernden Lauf entwickelt hat. Oh, welche Unterschätzung! Wieder werde ich kassiert. Das kann und soll so nicht weitergehen. Dazu kommt noch, daß ab dem 15. Kilometerschild zur Motivation der Moderator aus dem Dorf deutlich zu hören ist. He, wo ist hier die nächste Abkürzung?

Die erste Verpflegungsstelle bei (jetzt) km 16 ist gleichzeitig auch die dritte, Wasser hinein und weiter. Gut, Schatten an der Mauer ist noch da. Und die Steigung doch nicht so wild. Ich werde alt und verdränge Unangenehmes vorschnell. Hinter der Kurve erst geht es wieder stramm nach oben. Als nächstes kommt ja gleich km 18. Nein! Brennt mir die Sonne das Hirn aus dem Kürbis? Der 17. ist es erst. Mit zusammengebissenen Zähnen, den Blick gesenkt, quäle ich mich die letzten Höhenmeter hinauf, die ich dann bei km 18 auch wirklich erreicht habe. Ha! Hier ist mein Geher wieder am Gehen! Na? Na ja, sagt er, den Rest schaue er sich von hinten an. Doch einen überholt!

Und endlich darf ich bei der Streckenteilung, wo wir vorhin geradeaus laufen mußten, nach rechts abbiegen. In langen Sätzen eile ich bergab. Und wieder entläuft mir mein derzeitiger Mitläufer. Ich kann nicht mehr den nötigen Druck entwickeln und denke auch an die letzten rund 600 m, die im Dorf flach zurückgelegt werden müssen. Von wegen flach! Auch hier muß ich noch eigentlich leichte, jetzt aber eigentlich gar nicht so leichte Steigungen nehmen. Nimmt das denn kein Ende mehr? Eine letzte Linkskurve und ich erblicke das Himmelreich: den Zielbogen. Nicht mal mehr zu einem gequälten Lächeln fürs Zielfoto reicht es.

Gut, mit der Zeit von 1:38:59 Std. kann und muß ich zufrieden sein. Aber, meine Herren Gesangsverein, dieses „Läufchen“ habe ich gewaltig unterschätzt. Sehr abwechslungsreich, sehr schön, aber auch SEHR anstrengend. Liebe Bekannte im Ziel lassen die Anstrengung aber schnell verfliegen. Tom hat heute die 10 km gemacht und gestern den 6 Stunden-Lauf in Fellbach. Hatte ich eben von meiner Erschöpfung gesprochen? Bei solchen Erzählungen werde ich ganz schnell ganz leise...

Dank leckerem Kuchen schnell wieder zu Kräften gekommen, verstehe ich jetzt auch, weshalb Sesam in 2006 seiner Überschrift: „Verflucht Toni Weil!“ am Ende seines Berichts durch eine winzige Ergänzung zu einer ganz anderen Bedeutung verhalf: „Verflucht! Toni Weil und die über 80 Helfer des LT Dernau haben da eine wirklich tolle Veranstaltung auf die Beine gestellt.“ Dem habe ich nichts hinzuzufügen.


Streckenbeschreibung:
20 km-Kurs, km 6-8 als km 16-18 doppelt zu laufen mit ca. 360 Höhenmetern. Äußerst abwechslungsreiche und anspruchsvolle Strecke mit verschiedensten Untergründen (Stabilschuhe empfohlen).

Kosten/Auszeichnung:
5 € für die 10 und die 20 km-Strecke, Urkunden vor Ort für die jeweils drei Schnellsten, Nachsendemöglichkeit für den Rest (3 €), Läufertröpfchen (Ahrwein) für 5 €.

Logistik:
Gesamte, hervorragende Organisation konzentriert in der Sporthalle der Grundschule Dernau und davor im Pausenhof.

Verpflegung:
Zwei Verpflegungsstände, der erste zweimal anzulaufen (Wasser und Schwämme). Hinterher erst (leider) habe ich gehört, daß es gegenüber der Wasserausgabe auch Wein für die Wanderer gab...

Zuschauer:
Am Start gutes Interesse, unterwegs nur ein paar Versprengte.