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Frankfurt-Marathon am 31.10.2004

 

Mainzer Landstraße, der rote Teppich und ich

2004 fiel lauftechnisch insoweit etwas aus dem Rahmen, daß sich im Frühjahr irgendwie, warum auch immer, kein Marathonlauf ergeben hatte, und mein Einsatz in Frankfurt der einzige in diesem Jahr bleiben sollte.

In die Endphase der Vorbereitung, die ich erstmals halbwegs ernsthaft nach dem 3:30er Plan von Herbert Steffny absolviert hatte, fiel eine Dienstreise in die USA. Und zwar in die Nähe von Washington D.C. Wer US-amerikanische Großstädte kennt, kennt auch mein Problem: schon ziemlich früh dunkel, Bürgersteigeunbekannt (man fährt ja Auto, was sollte man also mit Bürgersteigen anfangen?) und keine Feld/Wald in der Nähe. Was tun?

Vergleichsweise komfortabel waren wir im Holiday Inn untergekommen. Und glücklicherweise geht der typische US-Bürger zum „Workout“ nicht ins Freie – man könnte ja zu viel Sauerstoff abbekommen -, sondern ins „Gym“, also eine Sporthalle. Unser Hotel war mit einem kleinen Raum ausgestattet, der auch zwei Laufbänder aufwies. Nie im Leben hatte ich mich bisher auch nur gedanklich damit auseinandergesetzt, jetzt galt es: das Laufband brachte mir viele km und rettete somit meine Vorbereitung. Im übrigen war ich davon derart angetan, daß ich mir noch im selben Jahr für zuhause eines zugelegt habe. Wer mal drei Stunden auf einem Laufband ohne Pause zugebracht hat weiß, was mentale Abhärtung bedeutet.

Also: ich fühlte mich super vorbereitet und war entschlossen, die 3:30 Std. ernsthaft und vom ersten Meter an offensiv anzugehen. Tags vorher waren wir noch bei meinen Eltern untergekommen („Du bist ja überhaupt nicht nervös?“) und mit ihnen zum Start gefahren. Für sie war schon die Marathonmesse ein bisher nicht gekanntes Erlebnis. Vor dem Start traf ich dann noch mit dem fast unvermeidlichen Hans-Peter zusammen und auch Kordula war eingetroffen, die heute ihren ersten Marathon angehen wollte. Und unser Jüngster, Jan Philipp, starte über die Mini-Marathon-Distanz.

Am Start der mittlerweile sattsam bekannte wie unangenehme Stau. Schlangenlinien laufen um diejenigen, die vorne mit drin stehen und dort absolut nichts verloren haben. Daher auf den zwei ersten km schon 24 Sekunden Rückstand. Was natürlich dazu führte, daß ich einen Zahn zulegen mußte. Folgerichtig war Halbzeit bei exakt 1:45 Std. Voll im Plan.

Jedoch schon bei Mitte 20 km hatte mich so langsam das Gefühl beschlichen, daß mein Ziel heute zu ehrgeizig sein könnte. Ich hing mich an den Pacemaker, der gleichsam Kontinuität wahrte und gute Laune verbreitete. „Du schaffst das!“, versuchte er mir Mut zu machen. Ich versuchte, was ging, aber das, was ich wollte, ging heute nicht. Eingangs der Mainzer Landstraße, die nach meiner Erinnerung etwas bei km Anfang 30 begann (und dort kann man quasi fünf km geradeaus sehen), verließen mich gleichsam Mut und Kraft. Und zwar – wie in vielen Fällen üblich – exakt bei km 32. Wie heißt es doch so schön? Ein Marathon ist ein 10er mit 32 km Anlauf. Der Anlauf war vorbei und der 10er ein einziger Krampf (nicht wörtlich zu nehmen).

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Für die letzten 10,195 km benötigte ich geschlagene 57:21 Std. Nachdem ich das Ziel als für mich heute unerreichbar abgehakt hatte, fiel ich mental zusammen. Das zeigt die Zeit deutlich. In der Zielkurve vor dem Einlauf in die Festhalle wartete meine Familie, die mich – ich hatte mein Zeitziel natürlich klar mitgeteilt – nochmals anfeuerte. Blöd, wie ich bin, lief ich die letzten Erlebnismeter auf dem roten Teppich der Festhalle viel zu schnell (worauf kam es denn noch an?) und bevor ich die gigantische Stimmung auch nur ansatzweise kosten konnte, hatte mich die Läuferschar am anderen Hallenende schon wieder herausgespült.

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Klar, die letztlich erreichten 3:36:00 Std. sind nicht übel, immerhin war es neue pB, aber mein Ziel hatte ich klar verfehlt. Wenigstens konnte ich noch halbwegs flüssig zur Straßenbahn gehen. Und Kordula war ganz aus dem Häuschen, denn sie hatte ihren ersten Marathon mit Bravour geschafft.