11. Lufthansa-Halbmarathon Frankfurt am 10.03.2013
„Frühjahrs“-Halbmarathon in Frankfurt
Eingeplant hatte ich den Lauf nicht. Schon gar nicht sechs Tage vor unserem erstmals durchzuführenden Wiedtal-Ultratrail (WUT) über 65 km und 2.100 Höhenmeter. Als jedoch die CBM (Christoffel Blindenmission) anfragte, ob ich mich ein paar Tage um meinen Freund, den kenianischen blinden mehrfachen Paralympicssieger Henry Wanyoike, kümmern wolle und ich erfuhr, daß dieser in Frankfurt starten würde, war meine Teilnahme gebongt. Wenn ich denn schon nach Frankfurt fahre, um ihn abzuholen, kann ich auch gleich die Gelegenheit zu einer schnellen Trainingseinheit nutzen.
Am Samstag davor gab’s nach zehn Jahren, quasi zum 35jährigen Abitur, im und um das Frankfurter Heinrich von Gagern-Gymnasium ein nettes Wiedersehen mit den ehemaligen Mitschülern. Tatsächlich, so konnte ich hoch erfreut feststellen, bin ich von diesen nicht der einzige Bescheuerte, der regelmäßig die Laufschuhe schnürt. Auch Christoph ist zweimal jährlich auf der Marathonstrecke, immer noch um die dreieinhalb Stunden, unterwegs. Bei seinen wöchentlichen fünf Einheiten kommt er bis auf 75 km, prügelt auch noch Intervalle im glatten Viererschnitt und will nicht schneller als 1:35 laufen. Na prima, das konnte ich auch mal. Betonung auf „konnte“. Völlig ohne Tempotraining mit deutlich weniger km in den Beinen soll es bei mir aber auch klar unter 1:45 bleiben. Schaun mer mal.
Daß das hier eine andere Nummer wird als bei normalen Volksläufen, zeigt sich schon am Start. Fünf Minuten vor dem Fußvolk, das ab einer Zielzeit von 1:18 (!) beginnt, startet um 10 Uhr das Elitefeld. Die Streckenrekorde liegen bei 1:05:29 (Männer) und 1:15:12 (Frauen). Mit dabei sind Henry und Joseph, auch wenn sie sich derzeit mit den 1:20 schwer tun, aber sie haben in letzter Zeit nicht so intensiv trainiert, außerdem ist Henry deutlich erkältet. Aus Hong Kong von vor 14 Tagen, wo sie für ihren Sponsor, die Standard Chartered Bank, gelaufen sind, haben sie eine 1:22 vorzuweisen. Aber laufe die erst einmal blind! Exakt diese Zeit wird es auch diesmal werden.
Start und Ziel befinden sich vor bzw. in der in der Otto-Fleck-Schneise gelegenen Commerzbank-Arena, in der die Frankfurter Eintracht ihre Heimspiele austrägt. Gegenüber liegt das Machtzentrum des germanischen Fußballs, der DFB. Parken kann man prima, max. anderthalb km entfernt, auf dem Parkplatz Gleisdreieck (ganz nahe) und dem Waldparkplatz. Die Startnummernausgabe ist im Stadion, die Zeitmessung erfolgt mittels Champion-Chip (Mika-Timing), über die man auch die Online-Anmeldung abwickelt. Im Stadion können die Herren der Schöpfung auch anschließend duschen, die Mädels in der nahegelegenen Wintersporthalle. Achtung: Keine Kleideraufbewahrung (allerdings kann man seine Wertsachen in einem bereitgestellten Beutel abgeben)!
Schnell treffe ich meinen Fellbacher Freund Thorsten, der genauso wie ich mit dem kenianischen Virus infiziert ist. Geheilt werden kann der nur durch unmittelbaren Kontakt, glücklicherweise finden wir Henry und Joseph auch schnell, die noch verschiedene Pressetermine wegen des Films („GOLD – Du kannst mehr als Du denkst“) zu absolvieren haben. Auch Martin von der Christoffel Blindenmission, die in Henrys Leben eine zentrale Rolle spielt, ist dabei. Martins Frau, seit acht Jahren Marathon-abstinent, traut sich heute wieder einmal an die 21 km und wird die in 2:15 mit Anstand abspulen.
Die Startaufstellung erfolgt nach beabsichtigten Zielzeiten. Nachdem die Elite unterwegs ist, rückt der Block „Bis 1:35“ auf und wird bald auf die Reise geschickt. Kurz darauf folge auch ich im hinteren Drittel des „Bis 1:45“er Blocks. Erfreulicherweise scheint seit heute Morgen entgegen der Wettervorhersage die Sonne und macht die kalten Temperaturen erträglicher. Hätte ich das zuhause vorhergesehen, hätte ich mich vielleicht etwas weniger dick verpacken können, so bleibt es bei Unterhemd, Langarmshirt und ärmelloser Windstopperjacke.
Vom Stadion geht es, fast unbemerkt, zunächst eine kleine Steigung hinauf, bevor der Weg erst nach links und dann um eine scharfe Kurve abwärts nach rechts führt. Hier ist staubedingt an alles zu denken, nur nicht an freies Laufen, mein erster km dauert anstatt der angestrebten 4:45 deutlich über sechs Minuten. Schon hier ist klar, weil die Strecke gar nicht anders genommen werden kann: Willst Du Deine persönliche Bestleistung steigern, und Dir kommt es auf Sekunden an, ist diese Veranstaltung ungeeignet. Oder Du machst es anders: Läufst entweder ganz am Ende des zu schnellen Blocks und bist damit quasi zwischen zwei Startwellen oder Du läufst ganz vorne in Deinem eigentlichen Startblock und läßt Dich später zurückfallen. Alles andere kannst Du vergessen, denn ein freies Laufen auf breiter Straße ist erst nach 3,6 km nach wiederum einem scharfen Rechtsknick möglich. Hängst Du also im Stau, kannst Du Deine angestrebte pB schon am Anfang als nicht zu erreichen abhaken.
Mit Beginn des vierten km sind wir in Sachsenhausen, dem „Mainhattan“ mit seinen Hochhäusern gegenüberliegenden Frankfurter Stadtteil. Einige der insgesamt wenigen Zuschauer klatschen vereinzelt Beifall, ein diametraler Unterschied zum Frankfurt-Marathon, wo stellenweise der Bär steppt. Erfreulicherweise ist hier im Gegensatz zur gegenüberliegenden Seite im Krieg etliches Bauliche heil geblieben und kann heute unsere Augen erfreuen.
Am Ufer angekommen, beginnt der für mich attraktivste Teil der Kurses, nämlich die drei km entlang des Mains. Als erstes die Friedensbrücke unterquerend und entlang des Schaumainkais kommt der moderne, aber für mich trotzdem hübsche Holbeinsteg (eine Fußgängerbrücke) ins Visier. Vorbei an mehreren Museen, u.a. am sog. Städel, passieren wir weitere Brücken, bevor es im Anschluß an eine kleine Steigung bei km 9,7 zum ersten Mal Verpflegung in – soweit ich es gesehen habe – überwiegend flüssiger Form gibt. Als erfahrener Läufer stoppt man nicht am ersten Tisch und da die Tische nicht nach Angebot gekennzeichnet sind, erwische ich anstatt Tee oder Wasser leider Apfelschorle mit den kohlensäurebedingten Nachteilen. Nun, der Veranstalter sollte genügend Erfahrung besitzen um zu wissen, daß Apfelschorle während des Rennens erstens falsch und zweitens auch völlig überflüssig ist. Mehr als Wasser braucht man beim Halben auch als langsamer Läufer wirklich nicht.
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