Hamburg-Marathon am 29.04.2007
Ankööm war allens
„Un nit vergeten: Ankööm is allens“. So begrüßte uns der Veranstalter auf seiner Website. Glücklicherweise kühlte es am Vorabend des Laufs aber deutlich ab, so daß die befürchtete Hitzeschlacht ausblieb. Das langjährige Mittel seit 1986 liegt bei 9,5° beim Start und 15,7° um 14 Uhr. Fast exakt so lagen auch heuer die Temperaturen. An die Rekordwerte (18,0° morgens 1992 bzw. 26,5° mittags 1996) kamen wir glücklicherweise also nicht heran. Warm genug wurde uns trotzdem und so galt die Devise: dem Dehydrieren entgegenwirken und von Beginn an viel trinken, auch wenn uns immer wieder mal zweifelhafte Studien vom Gegenteil überzeugen wollen. Und letztendlich war das Ankommen wirklich alles bei dieser rundum tollen Veranstaltung.
Nachdem am Freitag sämtliche Kinder eingesammelt waren (Hamburg lockt auch Jugendliche!), fuhren mein Freund Josef und ich mit unseren Familien nachmittags gen Norden. Untergekommen sind wir dieses mal – ausnahmsweise deutlich luxuriöser als sonst (man gönnt sich ja sonst nichts) – im Relaxa Hotel Bellevue, das eben diesen Blick auf die Außenalster und sehr guten Komfort bietet. Allerdings auch zu sehr guten Preisen.
Ein ganz leicht mulmiges Gefühl habe ich schon in der Magengegend. Zwar fühle ich mich mit mittlerweile zehn gelaufenen Marathons einigermaßen erfahren, aber mein Kollege Heiko Spitzhorn, ein sehr fleißiger und guter Triathlet (dieses Jahr Gesamtvierter in Kandel), hat mich im Vorfeld doch erheblich verunsichert. „Wie, Du willst einen 5er Schnitt laufen und trainierst so wenig in diesem Tempobereich? Trainingsplan von Herbert Steffny? Na ja, der sollte eigentlich wissen, was er empfiehlt.“ Was will man von einem Greif-Jünger auch anderes erwarten... Funktioniert hat das bei mir schon ein paar mal (plus/minus ein paar Minuten), aber ich lasse mich doch schnell verunsichern.
Am Samstag lassen wir den Frühstückslauf ohne uns starten und ziehen diesem ein gemütliches Frühstück im Hotel vor, bevor wir erst einmal die Startunterlagen abholen und die Marathonmesse begutachten. Mich überrascht eine Vielzahl an Ausstellern, die Zeit vergeht wie im Flug. An einem Stand treffe ich tatsächlich Klaus Duwe unter vielen tausend Besuchern, wie klein ist doch die Welt. Gut, der Klaus ist groß und kaum zu übersehen, aber trotzdem!
Am Sonntag muß ich leider zusehen, wie sich mein Anhang und mobiler Fanblock beim Frühstück (ab 05.30 Uhr!) die Bäuche mit den leckersten Dingen vollschlägt, während der asketische Athlet sich mit zwei Honigbrötchen (ohne Butter) begnügt. Derart gestärkt machen wir uns zum Startgelände auf, an dem schon munteres Treiben herrscht. Wie immer kann man alle Schattierungen von Läufern beobachten: die ruhigen, in sich gekehrten, die hypernervösen, die alle paar Minuten die Dixis frequentieren oder sich schon frühzeitig aufwärmen. Es gibt jede Menge zu beobachten, es wird nicht langweilig.
Die Startaufstellung erfolgt in bewährter Manier auf drei Straßen (Karolinenstraße, Holsteinglacis/Bei den Kirchhöfen und Gorch-Fock-Wall [West und Ost]). In 4 Wellen und jeweils fünfminütigem Abstand werden die Läuferinnen und Läufer zwischen 09.00 und 09.15 Uhr auf die Piste geschickt. Auf der Glacischaussee sind dann alle nach wenigen hundert Metern vereint. Aufgrund des gestaffelten Starts entsteht kein nennenswerter Stau und ein relativ freies Laufen ist bald möglich. Klar, man muß hier sicherlich Zugeständnisse machen: bei fast 18.000 Teilnehmern (23.000 waren gemeldet) kann man nicht den gleichen Platz erwarten wie bei nur wenigen hundert.
Es ist für mich immer wieder ein erhebendes Gefühl. Man startet mit tausenden anderen Läufern und wird sich bewußt darüber, wie gut es einem geht, daß man gesund ist und ziemlich sicher sein kann, die Herausforderung auch meistern zu können. Ich stehe in der Karolinenstraße hinten im Block E (Zielzeit 3:15 – 3:30) und würde nur zu gerne tatsächlich noch einmal sub 3:30 laufen.
Aus diesen meditativen Gedanken reißt mich plötzlich ein Sänger, der das „Hamburglied“ intoniert. Um mich herum zuckt alles erschrocken zusammen und ich habe Mühe, nach dieser Darbietung meine aufgerollten Fußnägel wieder glatt zu bekommen. Na ja, über Geschmack lässt sich sicherlich streiten. Feierlich wird mir allerdings kurz vor dem Start nach dem Absingen unserer Nationalhymne zumute, was nach meinen Informationen zum ersten mal stattfindet und diesem Großereignis gut zu Gesicht steht.
Um 9.00 erfolgt der Startschuß und exakt 120 Sekunden später überschreite ich die Startlinie. Auf dem Startpodest entdecke ich Ulrike Maisch, die über die startenden Massen blickt. Sie schaut in meine Richtung, ich winke ihr zu und sie winkt tatsächlich zurück. Mir! Nee, wirklich, das war eindeutig und ich wurde sofort mindestens um eine Sekunde schneller... Sehr angetan bin ich von der Organisation, die es schafft, innerhalb von weniger als 15 Minuten 18.000 Leute staufrei auf die Piste zu schicken. Der Lindwurm passiert die Gnadenkirche, 1907 als evangelisch-lutherische Kirche gebaut und seit 2004 ein russisch-orthodoxes Gotteshaus. Die entsprechende Umgestaltung wurde passend zum 100jährigen Bestehen gerade abgeschlossen.
Nach kaum 2 Kilometern befinden wir uns in St. Pauli auf der Reeperbahn mit der höchsten Theaterdichte der Stadt. Ich sehe zum ersten mal meine Fans, mit denen ich mich an den Kilometern 2, 12, 23 und 37 verabredet habe. Bei den letzten drei Stationen sollen sie mir jeweils eine Trinkflasche und ein Powergel übergeben, die ich erstmals in einem Wettkampf testen möchte. Der Streckenverlauf führt uns weiter über Altona in Form eines nach rechts (Osten) offenen Hufeisens zu den Landungsbrücken. Bei km 6 bewegen wir uns auf der Elbchaussee, wo wir etliche mondäne Villen, viele aus der Gründerzeit, bewundern können. In einer Baulücke hat sich ein Architekt ausgetobt und ein Ungetüm von Haus aus Stahl und Glas verbrochen. Nicht nur ich wundere mich über Verantwortliche, die solch eine Scheußlichkeit genehmigen.
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