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Hunsrück-Marathon am 26.08.2007
Wo heute der Wolfgang schnaufte
Laufen auf einem Bahndamm. 42,195 km schnurgerade, bretteben und todlangweilig. Das zumindest könnte man fälschlicherweise meinen, wenn man die Realität nicht besser kennen würde.
Dort, wo früher die Dampflok schnaufte (so das Motto der Veranstaltung), findet bereits zum siebten mal der Hunsrück-Marathon statt. Und daß der Hundsbuckel, wie dieses Mittelgebirge von den Einheimischen liebevoll bezeichnet wird, es durchaus in sich hat, muß jedem klar sein, der schon einmal in den benachbarten Mittelgebirgen Westerwald, Eifel oder Taunus (die mit dem Hunsrück das Rheinische Schiefergebirge bilden) unterwegs war.
Dieser Marathon, dessen Ziel knappe 100 km von meinem Zuhause entfernt ist, fehlte noch in meiner Sammlung der wohnortnahen großen Laufveranstaltungen und ich wollte ihn als Vorbereitungslauf für Berlin nutzen. Und so mache ich mich mal wieder am frühen Sonntagmorgen um 06.00 Uhr auf den Weg. Besonders freue ich mich, daß sich mein Freund Hans-Peter Probst, mit dem ich schon mehrere Läufe, u. a. Palermo 2005, gemeinsam bestritten habe, kurzfristig entschlossen hat, mich zu begleiten und auch den Transport übernimmt.
Gegen 07.00 Uhr treffen wir in der Kreisstadt Simmern (nicht zu verwechseln mit dem Westerwälder Simmern) ein, wo Hans-Peter sich zunächst nachmelden muß und wir unsere Startunterlagen abholen. Auf Pastaparty & Co. am Samstag haben wir in Anbetracht der Umstände von zusätzlichen 120 km Autofahrt verzichtet und müssen so halt noch etwas früher sein. Die Nachmeldung in der Hunsrückhalle klappt problemlos, alles ist sehr großzügig und die Stimmung unaufgeregt. Einige wenige Aussteller bieten ihre Waren feil, natürlich ist auch Udo Lohrengel dabei. Kurz vor halb acht Uhr entern wir einen der Busse, die uns um 7.55 Uhr in rund 25 Minuten zum Start nach Emmelshausen bringen. Hier haben wir die Möglichkeit, das „ZAP“ (Zentrum am Park) als Wartezone, Umkleidemöglichkeit und zur Erledigung gewisser körperlicher Bedürfnisse zu nutzen.
Das Wetter verspricht heute warm, zu werden. Am Start sind es ideale 16°, die sich aber bis zum Mittag auf 26° schrauben werden. Obwohl dies heute „schon“ mein zwölfter Marathonlauf ist, stehe ich doch mit recht gemischten Gefühlen dort. Entgegen meiner sonst ziemlich akribischen Vorbereitung habe ich, beruflich und familiär bedingt, in den letzten Wochen viel zu wenige lange Vorbereitungsläufe und auch insgesamt zu wenige Trainingskilometer zurückgelegt. Unter 4 Stunden will ich aber schon bleiben und das trotz Fotografierens, denn unser Klaus (Anm.: Duwe, der m4y.de-Betreiber) will ja auch Bilder haben. Ich bin gespannt, ob ich mich auch mit meinem mittlerweile doch gerüttelt Maß an Erfahrung einigermaßen über die Distanz retten kann.
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Der Startschuß erfolgt in Emmelshausen pünktlich um 09.00 Uhr, abgegeben von Willi Wülbeck, der bei der ersten Leichtathletik-WM 1983 in Helsinki die 800 m gewinnen konnte. Er hält noch heute, 24 Jahre später, die Deutschen Rekorde über 800 und 1000 m. Es ist wirklich schade, daß man sich bei der aktuellen Entwicklung im Sport sofort unwillkürlich fragt, ja fragen muß, ob diese Leistungen mit sauberen Mitteln erzielt wurden. Ich hoffe es sehr für ihn. Man ist einfach schon zu oft enttäuscht worden.
Achim meint, daß Klaus jetzt so etwa auf der Zielgeraden sein müßte. Wo? Ach, nur der Ultra Trail du Mont Blanc. Hört sich gefährlich an. Ist es auch. Schlappe 163 km Strecke bei leichter Steigung von 8.900 Höhenmetern sind dort zu bewältigen. Man gönnt sich ja sonst nichts. Falls Ihr diesen Bericht lesen könnt, hat er es erfreulicherweise überlebt! Wie ich später erfahre, hat er es leider nicht geschafft. Manchmal muß man auch eigenen Grenzen erkennen und respektieren.
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Starter aus 14 Nationen sollen lt. Veranstalter am Start sein. Besonders fallen mit 3 Katalanen auf, die sich auch sofort für ein Mannschaftsfoto zur Verfügung stellen und freundlich in meine Linse grinsen. Das Feld der rund 250 Athleten zieht sich auf den ersten Metern durch Emmelshausen schnell auseinander. Hans-Peter, der es eigentlich auch ruhig angehen wollte, hat mal wieder Ameisen im Hintern und ist sofort auf und davon, im Ziel wird er nach 3:25 Std. sein. Gut aber ist, daß ich mich mit meinem m4y-„Kollegen“ Joachim Ewen verabredet habe, wir starten zusammen und die ersten km vergehen wie im Fluge. Vorher hatten wir noch Volker Berka, den alten Haudegen, den auch mehrere Herzoperationen nicht von seinem geliebten Sport abhalten können, getroffen und mit ihm Erfahrungen ausgetauscht. Das hat schon etwas von einer m4y.de-Familie, mir gefällt das sehr gut.
„Ich bin einer, der erst mal verhalten angeht“, so der O-Ton von Achim auf den ersten Metern. Dies stellt er auch sofort unter Beweis, indem die ersten drei Kilometer in wenig mehr als 15 Minuten zurückgelegt werden! So 5:30 – 5:40 min. im Schnitt wollten wir eigentlich laufen, denn für mich soll es ja ein Vorbereitungslauf werden und er hatte die 4 Stunden-Grenze bisher noch nicht knacken können, sieht dies aber völlig streßfrei. So sind wir auf den ersten 5 km durch Emmelshausen recht flott unterwegs, bis uns nach 5 km der Radweg auf dem ehemaligen Bahndamm aufnimmt, den wir bis ins Ziel auch nicht mehr verlassen werden. Auf der B 327, der Hunsrückhöhenstraße, die wir etwa bei km 4 überqueren, herrscht noch gähnende Leere.
In Anbetracht der Witterung habe ich etwas Bedenken, eine ähnliche Hitzeschlacht wie beim Mittelrhein-Marathon erleben zu dürfen. Diese Befürchtung erweist sich aber als unbegründet, denn der Bahndamm ist schön mit Bäumen und Sträuchern bewachsen und bietet, zumindest auf seinen ersten 25 km viel Schatten. Zudem gibt es enorm viele Versorgungsstationen, was mich sehr positiv überrascht. Was ich auch noch nie erlebt habe, ist die Ausgabe von Getränken in schweinchenrosa Zahnputzbechern. Das ist ökologisch eine intelligente und nachahmenswerte Lösung, die allerdings auch einen Nachteil hat, der nicht verschwiegen werden soll: man muß beim Trinken stehen bleiben, sonst schwappt einem das Wasser ins Gesicht, denn sie können nicht am Rand zusammengedrückt werden.
Zeitlich nehmen wir uns dann etwas zurück und pendeln uns im geplanten Zeitfenster ein. Entlang der ehemaligen Bahntrasse (1901 – 1983 in Betrieb), dem Schinderhannes-Radweg (zum Schinderhannes s. Vorjahresberichte), steht naturgemäß kein Publikum. Richtig Stimmung ist aber an jedem ehemaligen Bahnhof, den sonstigen Versorgungsstellen und an den Straßenüberquerungen, die tadellos von Achims noch grünen Kollegen freigehalten werden, die demnächst blau (!) sein werden (also die Unifom...). Als toll erweisen sich natürlich auch wieder unsere m4y.de-Shirts, denn wir werden immer wieder mit unseren Namen angefeuert. Wir machen mit den Zuschauern so viel „Spökes“, wie man bei uns sagt, daß ich mich bemüßigt fühle, zwischendurch mal anderen Läufern quasi entschuldigend zuzuraunen: „Gut, daß uns hier keiner kennt...“
Toller Bahnhof in Pfalzfeld (man achte auf die intelligente Doppeldeutigkeit!), den wir nach den Orten Lamscheid, Leiningen und Norath erreichen. So macht das Laufen Spaß. Die hier abgestellten Waggons kann man übrigens als Übernachtungsmöglichkeit nutzen, wir erkennen heruntergeklappte Liegen. Achim und ich unterhalten uns so angeregt, daß die Zeit fast unmerklich vergeht. Über Lingerhahn erreichen wir die Halbmarathonmarke und damit Kastellaun bei 1:55 Std. und liegen dank unserer ersten vergleichsweise flotten km bestens im Plan. Wir lassen Bell, Hasselbach und Alterkülz hinter uns. Erfreulich ist das tolle Engagement der örtlichen Vereine, die, soweit ich das überblicken kann, die Streckenversorgung übernommen und dies auch auf den Hinweisschildern vermerkt haben. Groß und Klein ist auf den Beinen und ich bemühe mich als erfahrener Papi, immer die Kleinsten anzusteuern und mich auch artig zu bedanken. Die Versorgung ist wirklich prima (s. u.) und das wirklich gute Preis-/Leistungsverhältnis (s. u.) des Hunrück-Marathons wird offensichtlich. Das Konzept, eine gute Organisation zum fairen Preis zur Verfügung zu stellen, geht m. E. voll auf.
Dies zeigen auch die Teilnehmerzahlen, die in diesem Jahr wieder an die 2000 heranreichen könnten. Im Marathonziel waren erfreulicherweise 235 Teilnehmer (2006: 215) im Ziel.
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Im Bereich um Km 28 beginnen sich bei Achim leider orthopädische Probleme unangenehm bemerkbar zu machen (an der Kondition liegt’s nicht...) und wir beschließen, uns zu trennen. Danke Achim, das waren die kurzweiligsten ersten 28 km, die ich bisher erlebt habe! So kann ich also „frei“ laufen und beginne, unmerklich immer schneller zu werden und überhole bald auch „Frau Ricken“, sie läuft mit einem Dortmunder BVB-Shirt. Na ja, im dritten Spiel gegen Cottbus die ersten drei Punkte geholt, da kann frau sich wieder aus dem Versteck wagen. Hatte ich anfangs doch Bedenken wegen der suboptimalen Vorbereitung, werde ich immer unvorsichtiger. Vielleicht liegt es an der ländlichen Gegend, daß m4y.de-Läufer ihre Zeitpläne über den Haufen werfen. Aber auch mir ist spätestens bei km 30 „der Gaul durchganga“ (s. Bericht 2006 von Anton Lautner). Begünstigt durch das leichte Gefälle pendeln sich meine Km-Zeiten bei plus/minus 5:00 min. ein und das kann ich auch bis ins Ziel durchhalten. Ich glaube, man hat doch ein Tier in sich: sobald man merkt, daß noch etwas geht, erwacht der Jagdinstinkt. Und jeder überholte Mitläufer macht Appetit auf mehr. So sammele ich doch noch etliche Läufer vor mir ein. Die einzigen, die mich noch überholen, sind zwei Schülerstaffeln.
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Der letzte Km birgt für mich noch eine Überraschung: es geht stramm bergauf! An der Verkehrsinsel hoffe ich, innerlich nicht überzeugt, daß es flach nach rechts abgehen möge, aber natürlich Pustekuchen. Auf den letzten ca. 300 m stehen dann jede Menge Zuschauer, die mir bei netter individueller Moderation die letzten Meter versüßen, die wie immer viel zu schnell vorbeigehen. Bei 3:46 Std. bleibt die Uhr stehen, da habe ich doch noch rund 10 min. herausgelaufen und bin mit mir sehr zufrieden. Auf dem Simmerner Schloßplatz ist jede Menge los und bei guter Zielverpflegung (Apfelschorle hat den Wettkampf gegenüber Krombacher Bleifrei heute verloren) läßt es sich in der warmen Sonne gut aushalten. Hans-Peter erwartet mich und leiht mir für die ersten Minuten gegen den Wind noch seine Jacke, während ich auf Achim warte, der nach 4:10 Std. gemeinsam mit einer seiner Töchter einläuft. „Bist Du mit Deinem Papi zufrieden?“ frage ich „Ja!“ Was will man mehr?
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Auf dem Rückweg zum Auto begegnet mir telefonierend noch Ottmar Berg, der Veranstalter, und ruft ins Handy: „Hier ist noch einer von Klaus Leuten“ und begrüßt mich. „Wir sehen uns“, meint er. Wann? Irgendwann. Wenn das kein Schlußwort ist, denn hier müßte man wirklich wieder hinkommen.
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Streckenbeschreibung: Punkt-zu-Punkt-Kurs, durchgängig asphaltiert mit einigen Steigungen, jedoch insgesamt, inbes. ab km 30, leichtes Gefälle. Nicht unbedingt bestzeitfähig, aber sehr gut zu laufen.
Startgeld: 25 - 33 € je nach Zeitpunkt bei Voranmeldung für den Marathon, Nachmeldung 5 € zusätzlich.
Zeitnahme: Champion-Chip
Weitere Veranstaltungen: Laufen, Walking oder Inlining über 42, 21 km oder 6,3 km, Staffellauf Halbmarathon
Auszeichnung/Startpaket: Medaille, Soforturkunde, T-Shirt mit dem Marathon-Logo, zwei Getränke, Energieriegel, Traubenzucker, Gutschein fürs Hallenbad, Duschbad, Kugelschreiber, 17er („Kapselheber“) und einen Gutschein für die Nudelparty am Samstag.
Logistik: Großer Parkplatz vor der Hunsrückhalle in Simmern. Simmern ist gut zu erreichen über die A 61, Ausfahrt Rheinböllen. Von dort auf der B 50 nach Simmern (ca. 15 km). Bustransfer von Simmern nach Emmelshausen (Start Marathon), Kleiderabgabe.
Verpflegung: Alle 4-5 km Mineralwasser, isotonische Getränke, Bananen und Energieriegel bei km 12, 18, 27 und 35. Ab etwa Km 30 auch Gel, auf den letzten Km zusätzlich Cola.
Zuschauer: Landschaftslauftypisch nur vereinzelt, im Start- und vor allem Zielbereich ordentliches Interesse, super Stimmung an den Verpflegungsstationen, den ehem. Bahnhöfen und den Straßenkreuzungen.
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