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35. Bienwald-Marathon am 14.03.2010

Showdown im Bienwald
 

LG Horsack schnürt den Sack zu

Eigentlich wollte ich am letzten Wochenende einen langen Trainingslauf von Köln nach Linz (nein, nicht an der Donau, das wäre dann doch etwas weit gewesen!) gemacht haben. Das hatte sich aber kurzfristig zerschlagen und so kommt Kandel endlich in den Genuß meiner Teilnahme. Oder vielleicht besser anders herum, dieser Traditionslauf wandert endlich von der Soll- auf die Haben-Seite.

Showdown im Bienwald? Seit Monaten schon steigt das Lauffieber bei der „LG Horsack“ um „Josh“, meinen Kollegen Heiko Spitzhorn. Die „LG“ ist ein reiner Phantasieverein, ein Zusammenschluß von Triathleten, Läufern und Hobbysportlern, die durchaus ambitioniert, aber dennoch auch lustig und unverkrampft unterwegs sind. Bei Wettkämpfen starten sie meist für ihren Hauptverein und Sponsor, das DBL-Team RSG Montabaur, sofern sie dort tatsächlich Triathlon machen.

Regelmäßig veröffentlicht er über seinen Blog die neuesten Trainingsabenteuer, die einem Normalläufer die Haare zu Berge stehen lassen und ungläubiges Staunen hervorrufen. Beim Ironman in Roth hat er eine 9:15 stehen. Nach knüppelharten Einheiten über Wochen und Monate bei Schnee und Eis will der M 40er heute nach zwei 2:36ern 2007 und 2008 die Marke von 2:35 Std. unterbieten und ist „heiß wie Frittenfett“. Da ist mein eigenes Ziel doch sehr viel bescheidener. In meinem dritten Marathon des Jahres will ich deutlich unter vier Stunden bleiben und damit erneut eine schöne Trainingseinheit für mein diesjähriges Debut in Biel hinter mich bringen.

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Im Gegensatz zu Heiko und Konsorten reise ich erst am Morgen an und bin anderthalb Stunden vor dem Start um 8.30 Uhr vor Ort, finde einen guten Parkplatz, von denen es sehr viele gibt, und ein schönes Plätzchen in der Bienwaldhalle. Die ist klasse, ganz neu, bietet zwei große Räume, sehr gute Sanitäreinrichtungen und dank fleißiger Helfer(innen) bereits morgens Kaffe, Kuchen, Brötchen, und und und.

Die Lauffamilie findet auch wieder rasch zueinander. Ich ratsche mit Klaus, Eberhard, Angelika, Uli, Olaf und auch mit Karl-Heinz Kobus kann ich endlich mal ein paar Worte wechseln. Eine kleine Messe gibt es auch und so kann es einem nicht langweilig werden.

Die Startaufstellung, vielleicht 500 m von der Halle entfernt, ist intelligent nach Zielzeiten eingeteilt und ich beschließe, mich am Ende der 3:50er Zone einzureihen. Vorher muß ich aber unbedingt den Heiko noch sehen und begebe mich dazu mal ganz nach vorne, auch wenn ich da läuferisch nichts zu suchen habe. Heiko ist heiß, wie er mir versichert und sehr konzentriert. Wer den Spaßvogel ein wenig kennt, entdeckt eine ganz neue Seite an ihm.

Pünktlich geht es los und mir zeigt sich sofort, daß es sich im Gegensatz zu vielen anderen Veranstaltungen  nicht um einen 08/15-Volkslauf handelt, sondern daß hier sehr viele „Profis“ am Start sind. Denn es gibt, ganz im Gegenteil zu sonst, keine hektischen Überholmanöver in der Anfangsphase. Jeder kennt sein Leistungsvermögen und stellt sich entsprechend auf, sehr angenehm. So finde ich noch auf den ersten beiden km durch Kandel Downtown zwei Elsässer, deren Tempo mir gut passt. Ich beschließe, mich anzuhängen und sie als Windschatten zu mißbrauchen, denn außerhalb der Ortschaft bläst es ganz ordentlich.

Die Zeiten um die 5:20 min./km (Heiko: 3:39) passen, auch wenn ich merke, daß ich lange nicht mehr über eine weite Strecke in dem Tempo gelaufen bin. Das ist halt die Krux: Entweder Du läufst viel und dann vergleichsweise langsam oder wenige Wettkämpfe, dann aber vernünftig mit Intervallen & Co. vorbereitet. Da ich gerne Wettkämpfe laufe und im Zweifelsfall einen Marathon einem als lästige Pflichtübung empfundenen 30er vorziehe, ist das eben so.

Jetzt sind auch die Halbmarathonis mit uns gestartet und ich schiele bei dem einen Elsässer mal seitlich auf die Startnummer: Dreistellig und damit Marathonläufer, alles klar. Ich beschließe, an ihnen dranzubleiben. Der etwas jüngere von beiden liegt schnell mal 2-3 Meter zurück und so scheint die Lage klar zu sein: Der Ältere zieht ihn. Allerdings ist es bei km 6 etwas früh zum Schwächeln. Wie auch immer. Nach weiteren sehr gleichmäßigen km ziehen sie dann das Tempo deutlich an, ich will nicht zu früh zu viel riskieren und lasse nach 9 km abreißen. Bei etwa km 12 ist der Wendepunkt der Halbmarathonis und – ich Penner! Beide haben natürlich vierstellige Startnummern und kommen mir als Halblinge entgegen. OK, ich verzeihe ihnen und danke ihnen im Stillen für ihre unfreiwillige Arbeit als Zugläufer.

Die Verpflegungsstellen arbeiten effektiv wie freundlich und bieten das, was man benötigt: Wasser, Iso, Tee (warm!) und Obst, später auch Cola.

Für die ersten km habe ich glatt 53 min gebraucht und horche ständig in mich hinein, ob das hinsichtlich der Reststrecke so richtig ist. Aber noch fühlt es sich gut an und zudem habe ich in dem bärenstarken M 65er Michael Siebert einen interessanten Gesprächspartner. Er erzählt von seinen Trekkingtouren und daß er am Donnerstag für sechs Wochen nach Nepal gehen wird. Daneben unterhalten wir uns an seinem Beispiel über das Alterslaufen und er weist mich auf einen älteren Mann hin, der mir schon von Anfang an wegen seiner Laufgeschwindigkeit und Fröhlichkeit aufgefallen ist. Ah, das also ist Opa Feller, mit 72 Jahren das Haupt der laufverrückten Feller-Familie (Ausrichter des Bärenfelslaufs), Tochter und Sohn (mit Hund) sind auch auf der Strecke. Alle (auch der Opa!) bleiben deutlich unter vier Stunden.

Die Strecke ähnelt übrigens mit sehr viel Phantasie einem auf dem Kopf stehenden Y, beinhaltet also zwei Pendelstrecken. Die erste erreichen wir nach knapp 15 km und haben sie zur Halbmarathonmarke (1:52 Std.) wieder verlassen. Dann geht es richtig tief in den Wald. Schön ist es einerseits, die schnellen Cracks entgegenkommen zu sehen: Heiko sieht für mich gut aus und vermittelt einen starken Eindruck. Andererseits weiß ich, daß diejenigen, die mir bei km 22 entgegenkommen, schon gut 31 hinter sich haben. Puh, 5 km hin und auf gleichem Wege wieder zurück. Bei km 19 bin ich auf Peer Schmidt-Soltau aufgelaufen, der durch seine langen Haare immer schon von weitem auffällt. Auch er ist ein Einzelläufer unseres Staffelmarathons 2009 in Waldbreitbach, wir laufen etliche km zusammen und unterhalten uns prächtig. Das lenkt ab.

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So im Bereich des zweiten Wendepunkts, etwa bei km 26 (zu dem es doch ein paar Höhenmeter hinaufgeht, aber nur aufgrund der Müdigkeit zu bemerken), beginnt sich mein vergleichsweise hohes Tempo langsam in den Haxen bemerkbar zu machen. Die km-Zeiten leiden aber im Gegensatz zu den Beinen noch nicht und bewegen sich konstant um die 5:20 min. Das erste Gel wird fällig. Bei km 27 sündige ich zugegebenermaßen nach Marburg bereits zum zweiten Mal: Für die langen graden Passagen habe ich zur Sicherheit 3,2 t (geschätzt) Schwermetall in 14 g (gemessen) iPod mitgenommen. Sollte es arg eintönig werden, gibt’s was auf die Ohren. Dieser Fall ist jetzt eingetreten. W.A.S.P., Saxon, AC/DC und viele andere mehr sorgen für nicht nachweisbares Doping.

Bei km 29 bin ich 2:35 Std. gelaufen und registriere, daß, falls alles glatt gegangen ist, sich Heiko in diesem Augenblick auf der Zielgeraden befinden muß. Wahnsinn. Wenn man diese Zeit mit einer konkreten bekannten Person verbindet, bekommt diese tolle Leitung auch ein Gesicht und ringt mir größten Respekt ab.

Den bekomme ich auch zunehmend vor der Strecke. Wieder auf der Rücktour kann man teilweise zwei bis drei km geradeaus schauen. Asphalt, Wald, Läufer. Und Schmerzen in den Beinen. Tja, die Strecke. Drücken wir es mal positiv aus: Sie ist ideal zum Trainieren mentaler Härte. Gut, das habe ich ja vorher gewußt und muß da jetzt durch. Die vergleichsweise hohen Teilnehmerzahlen geben dem Veranstalter aber eindeutig recht. Es gibt ja auch nichts zu meckern, überhaupt nicht. Ein paar Zuschauer wären jetzt schön, aber außer am Anfang ist diesbezüglich Fehlanzeige.

Gefühlt bekomme ich langsam kaum noch ein Bein vor das andere und warte ab etwa km 37 ständig auf den Einbruch. 5:33 min. für km 38, es geht abwärts. Komischerweise werde ich anschließend wieder schneller. Keine Ahnung wie, aber es funktioniert. Nach dem Austritt aus dem Wald bläst mir bei km 39 der Wind eiskalt entgegen. Meine Güte, findet der Winter denn nie ein Ende? Ich darf aber nicht meckern, schließlich waren für heute Regen und Schnee angekündigt, von beidem bisher keine Spur.

Schon lange frage ich mich, wo der 3:45er Troß bleibt und rechne meine Zeit immer wieder nach und hoch. Denn ich trage mich mit dem Gedanke mich anzuhängen (das zumindest zu versuchen), wenn sie mich überholen. Drehe mich ab und zu verstohlen um und schaue nach den roten Ballons. Nichts zu sehen. “Rock’n’Roll-Train“, der Eingangshammer der letztjährigen Tour von AC/DC hilft, letzte Reserven zu mobilisieren.

Parallel zum Stadion sehe ich die verheißungsvolle „42“ auf der Tartanbahn stehen und schalte den iPod ab. Die Dreiviertelrunde geht jetzt auch noch ohne Mucke. Dann endlich schlüpfe ich unter dem blauen Zielbogen hindurch und habe es geschafft. Mit den erzielten 3:45:59 Std. muß und kann ich zufrieden sein. Bin es auch. Trotzdem: Nur 312. Mann von 537! Ja, da haben wir heute ein starkes Feld zusammen.

Das Helden-Finisherbild vom Klaus kommt erst zustande, nachdem die Sonne mir zu Ehren kurz durchbrochen ist und ein freundlicher Helfer einen warmen Tee gebracht hat, toller Service! Da kann ich schon wieder strahlen. Ein Ganzkörperkondom hatten sie mir auch direkt übergestreift. Also wirklich, hier wird sich gekümmert! Keine Spur vom 3:45er Troß, da hat sich wohl der Zugläufer unterwegs verabschiedet. Oder war ich so im Delirium, daß ich den Überholvorgang nicht bemerkt habe?

Das gute Erdinger bleifrei erfreut sich heute sehr überschaubarer Beliebtheit, das habe ich noch nie erlebt. Normalerweise steht man immer in der Schlange und wartet. Es stehen mindestens 20 Becher eingeschenkt parat; kaltes Bier bei kalter Witterung ist offensichtlich nicht jedermanns Sache. Ich schnappe mir trotzdem eines und gehe damit in die Halle. Etwas ausruhen, duschen und wieder zurück.

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Endlich treffe ich den Heiko und versuche zunächst ohne Erfolg, ihm per Zeichensprache sein Ergebnis zu entlocken. Dann am Tisch der „LG Horsack“ die freudige Nachricht: Der Showdown hat stattgefunden!

Heiko hatte ich zweimal mit einen Begleiter gesehen, nach dem Halbmarathon-Wendepunkt war er auf Rang 4 mit Blickkontakt zum 3. und 2. Bei km 14 konnte er den Dritten, bei km 27 Thomas Dehaut überholen, der bis dahin Zweiter war. 10 km lang träumte er vom Doppelsieg seiner Truppe, da er sich sicher war, daß Ralf Nacke (der spätere Sieger) das Ding nach Hause laufen würde und er nach wie vor super Beine hatte. Km 37 kam dann wieder in 3:39 und er wollte ab km 40 nochmals beschleunigen. Wie gesagt, wollte... Auf dem kurzen Stück gegen den Wind (km 37-39) wurde es dann nochmals sehr zäh und hart für ihn und Harald Seidl konnte ihn zentimeterweise distanzieren. Bei km 41 noch einmal angetreten, kam er aber nur unbedeutend näher. Was soll’s! Der vorher vorsichtig anvisierte Platz Drei gehört tatsächlich Heiko!

Die dreieinhalb Monate gemeinsames qualifiziertes Training hat sich für die Jungs ausgezahlt. Übrigens trainieren sie, das ist kaum eine Überraschung, nach den Plänen eines Herren, den Achim Achilles gerne als Online-Apotheker verspottet. WENN man das durchhält (und das tun längst nicht alle), dann rockt’s auch. Übrigens sind die Jungs mit Masse “hauptberuflich” Triathleten. Und höchstens mit Weizenbier gedopt.

Den ersten und dritten Platz belegt, dazu die Plätze 12 und 13 (welch eine Dichte ganz vorne!) sowie die Mannschaftswertung mit 12 Minuten Vorsprung souverän gewonnen. Die 7:50 Std. sollten in der Jahresendabrechnung zumindest in Rheinland/Pfalz, wenn nicht sogar deutschlandweit,  spitze sein. Daneben wurden weitere herausragende Resultate erzielt. Jeder lief Bestzeit! Ja, den Sack hat die „LG Horsack“ heute zugeschnürt.

Laufen im Bienwald... Hier fühlt sich auch die Wildkatze wohl – so lautet das Motto des Bienwald-Marathons. Grund zum Wohlfühlen hatten aber definitiv alle – spätestens hinterher!

Diesen Bericht gibt’s auch, wie immer, mit vielen Fotos auf marathon4you.de.

 

Streckenbeschreibung:
Topfebener, asphaltierter und verkehrsfreier (= schneller) Kurs durch den Bienwald mit zwei Pendelstrecken.

Rahmenprogramm:
Startunterlagen in der Bienwaldhalle ab dem Vortag um 15 Uhr.

Veranstaltungen:
Marathon, Halbmarathon

Startgeld:
Je nach Anmeldezeitpunkt 26 – 32 € (HM 15 – 21 €). Im Startgeld enthalten ist ein Funktionsshirt. Zugläufer für 4:00, 3:30, 3:15 und 3:00 Std.

Zeitnahme:
Champion-Chip

Auszeichnung:
Jede Menge Pokale für die Sieger, Sachpreise, Urkunde vor Ort und übers Netz. Medaille auf Wunsch gegen Zahlung von 3 €.

Logistik:
Anmeldung, Siegerehrung, Kaffee, Kuchen und Herzhaftes, Duschen sowie Umkleiden in der Bienwaldhalle Kandel.

Verpflegung:
Alle ca. 5 km Elektrolytgetränke, Wasser, Tee und Obst

Zuschauer:
Bis auf den Start-/Zielbereich (vermutlich auch wetterbedingt) Fehlanzeige.

Temperaturen:
Ca. 6°, in offenen Bereichen durch den Wind kälter empfunden.

 

Marathonsieger

Männer

1 Nacke, Ralf  DBL-Team RSG Montabaur               2:29:29
2 Seidl, Harald  LG Stadtwerke München                2:35:13
3 Spitzhorn, Heiko DBL-Team RSG Montabaur          2:35:23
 

Frauen

1  Merkel, Heide           Ötigheim                          3:01:33
2  Raach, Daniéle         ALUFER                            3:03:55
3  Hebding, Marion       TV Rheinau 1893 Mannheim  3:05:30