Durch den Normannenpalast (Sitz des sizilianischen Regionalparlaments, ehemals Emirpalast der Araber und Regierungssitz der Normannen und Staufer) hindurch – beeindruckend! - im Straßengeviert wieder zur Porta Nuova, den Corso Vittorio Emanuele herunter und über die Vie Maqueda, Trieste, Pavia und Torino erneut auf die Via Maqueda in Richtung Start. Halbmarathon bei 1:44:19. Klasse, voll im (ehrgeizigen) Plan. Trotz Steigungen und 3 Aufholjagden. Aber wie heißt es so schön: ein Marathon ist ein 10er mit 32 km Anlauf. Wer hat den Hammermann (in Frankfurt steht er leibhaftig!) nicht schon kennen gelernt? Also, den Tag nicht vor dem Abend loben. Da, endlich, nach 23 km sehe ich Hans-Peter wieder. Er ist mir untreu geworden und läuft mit einem Italiener schön im 5er Schnitt. Ich gebe Gas und hole beide ein. Ein paar Worte Kauderwelsch italienisch/englisch/deutsch reichen für eine Minimal-Unterhaltung.
Vom Monte Pellegrino wieder am Anfang der Stadt, fragt mich Hans-Peter, wie ich mich fühle. Ich bin ehrlich: kaputt, muskulär, die Oberschenkel verhärten. Wir laufen mittlerweile weit unter einem 5er Schnitt, eindeutig zu schnell für mich. Ich muss schließlich selber ankommen und reduziere etwas. Hans-Peter zieht davon, ich meine stehen zubleiben, laufe aber weiter um die 4:50. Er hat unheimlich Power und schon ist er aus meinem Gesichtskreis verschwunden. Ich laufe noch ein paar wenige Kilometer mit dem Italiener, aber er kann nicht Schritt halten und fällt zurück. Schade, er ist bisher sehr gleichmäßig gelaufen.
Km 32, 33, 34. Es läuft weiter gut, die Zeit stimmt. Die Beine nicht. Ich mache ihnen klar, daß der Marathon 42 km dauert und sie entwickeln tatsächlich Verständnis für mich. Noch 3 km. Jetzt die letzte Steigung. Nicht heftig, aber lang. Also doch heftig, nach 38 -39 km. Ich überschlage die Zeit: wenn ich jetzt einbreche, reicht ein 6er Schnitt, um unter dreieinhalb Stunden zu bleiben? Er würde gerade so reichen. Ich breche nicht ein. Vor mir das Zieltor in fast 2 km Entfernung. Es kommt und kommt nicht näher.
Die letzte große Kreuzung. Die Polizei hält den Verkehr an. Zumindest fast. Unmittelbar vor mir schießt ein Audi Cabrio vor meine Füße, bleibt stehen. Ich kann nicht stoppen und knalle mit einem saftigen Fluch auf den Lippen dagegen. Egal. Vorbei und wieder Fahrt aufgenommen. Noch 500 Meter. Da sehe ich Hans-Peter wie ein HB-Männchen (ja, liebe Kinder, wir alten Männer kennen das noch!) auf und ab hüpfen. Ich überquere in 3:27 die Ziellinie. Wahnsinn. Herbert Steffny, ich danke Dir und Deinen Trainingsplänen! Hans-Peter und ich führen hinter dem Ziel einen Freudentanz auf, die Außenwirkung tangiert uns nur periphär. Er ist nur knapp über 3:20 gelaufen. Die letzten 8 km im glatten 4er Schnitt, sensationell.
Im Nachhinein müssen wir leider feststellen, daß die offizielle Ergebnisliste nur die Bruttozeiten ausweist, was einen doch ziemlich ärgert, wenn man Bestzeit gelaufen ist.
Hinter dem Zieleinlaufkanal müssen wir dann leider die nagelneuen Champion-Chips, die man uns ohne Pfand (!) mit den Startunterlagen ausgehändigt hatte, wieder abgeben und bekommen zum Trost eine Tüte mit Verpflegung (Iso, Wasser, Orange, Banane). Ungewöhnlich, aber auf diese Art bekommen auch die Letzten noch ausreichende Verpflegung. Dahinter gibt es weiteres Obst und endlich auch die ersehnte Medaille.
Wir fragen nach der Duschgelegenheit, wo wir unsere Duschgutscheine einlösen können. Nein, Duschen gibt es trotz Gutscheinen nicht. Also wird der Body nur abgerubbelt und mit trockener Kleidung versehen.
Anschließend zum Barilla-Lkw, wo wir die Pasta-Gutscheine einlösen und eine vergleichsweise kleine Portion Nudeln mit Soße erhalten. Danach machen wir uns langsam zu Fuß auf den Heimweg und beklatschen noch die letzten beiden Läufer, die vor dem Besenwagen nach fünfeinhalb Stunden mit schweren Schritten einlaufen.
Dass Alter vor Torheit bzw. Unsportlichkeit nicht schützt, zeigte ein „Laufkamerad“ aus Rostock: ihn hatten wir im Hotel kennen gelernt und er war mit einer Zielzeit von 3:40 gestartet. Bei km 8 hatten wir ihn überholt, um ihn zu unserem großen Erstaunen noch auf der ersten Runde wieder ca. 3 km vor uns zu sehen. Er hatte, unbemerkt von der Organisation, abgekürzt und wiederholte dies ganz offensichtlich auch auf der 2. Runde. So kann man durch Selbstbetrug und grobe Unfairness auch seine Zielvorgaben erfüllen.
Fazit: Wir haben eine kleine, aber durchweg gut organisierte Veranstaltung besucht, die viel Leistung für wenig Geld bot (€ 25 inkl. T-Shirt). Das Startgeld hätte uns als Erststartern in Palermo lt. Ausschreibung eigentlich geschenkt werden sollen, aber bereits im Vorfeld war aufgrund auch sprachlicher Schwierigkeiten klar, daß dies ein aussichtsloses Unterfangen sein würde. Na ja, bei diesem Betrag durchaus zu verschmerzen. Wer also im beginnenden Winter, eigentlich schon nach Ablauf der Laufsaison, eine ordentliche Veranstaltung besuchen möchte, ist in Palermo gut aufgehoben.
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