7. Wilde Wasser Lauf am 11.10.2015
Das ist die Hölle!
Schwer atmend nehme ich Stufe für Stufe. Jede ist mit bahnschwellenähnlichen Balken gesichert, jedes Mal muß ich die Füße ordentlich hochnehmen. Bahnschwellenähnlich ist inzwischen auch meine Dynamik, lokomotivenähnlich geht mein Atem. Die Lautstärke nimmt immer mehr zu. Dann bricht er durch die Bäume in mein Visier: Der kleine Riesach-Wasserfall. Ich bin begeistert. Und habe keine Ahnung, daß sich diese im Verlauf der nächsten anderthalb km noch um mehrere hundert Prozent steigern wird.
Rein lauftechnisch gesehen hatten wir uns ja schon ein wenig angenähert, die Ösis und ich. Z. B. hatten mich die Einsätze in Füssen und Bad Füssing jeweils bis auf wenige Meter an die Staatsgrenze herangeführt. Doch während mich die Schweiz schon mehrfach im heldenhaften Kampf gegen Zeit und Höhenmeter erlebt hat, steht mein läuferischer Ersteinsatz bei den Beutegermanen noch immer aus. Das allerdings wird sich in diesem und nächsten Jahr nachhaltig ändern. Austria, wir kommen!
Wenn Elke und ich für zwei Wochen verreisen, ist das, ohne zumindest einen anständigen Lauf mitzunehmen, kaum vorstellbar. Und wenn man schon mal da ist, kann man doch evtl. auch noch einen zweiten…? Entsprechend durchforsten wir den österreichischen Laufkalender und werden tatsächlich fündig: Hart am Rande der Steiermark zum Bundesland Salzburg hin in Schladming hat man vor wenigen Jahren einen neuen Erlebnis-Wanderweg ausgewiesen und mit erheblichem Aufwand hergerichtet. Von Schladming ausgehend, führt er 14 km lang und 610 Höhenmeter hinauf durch die Talbachklamm, vorbei an der alten Gföllermühle, den Naturschutzgebieten Toteisboden und Tettermoor, zum Riesachfall, dem höchsten Wasserfall der Steiermark, dann entlang des Alpinsteiges über Treppen und Brücken durch die Höll zur Gfölleralm am Riesachsee.
Es muß nicht immer Skifahren sein und was wanderbar ist, geht auch zu laufen, dachte sich der Laufclub Schladming. Und schon war der Wilde Wasser Lauf geboren. Gut, zum Abräumer bei den Teilnehmerzahlen ist er in den bisherigen sechs Durchführungen nicht geworden (an einer dreistelligen Zahl Finisher wird noch gearbeitet), aber daran kann und soll dieser Bericht etwas ändern.
Was laufbar ist, muß man auch wandern können, denken wir uns und machen uns nach unserer freitäglichen Ankunft am Samstagmorgen von Radstadt aus direkt auf die Socken. Dort sind wir bei Maria und Hans Mayrhofer im Ferienbauernhof Arnoldsgut so herzlich aufgenommen worden, daß wir eigentlich am liebsten dageblieben wären. Wirklich noch nie hatten wir eine schönere Ferienwohnung, alles von Hans komplett selbst getischlert. Mit dicker Kamera bewaffnet wollen wir uns trotzdem die Strecke schon mal ansehen und solche Fotos schießen, für die man während eines Laufs nicht so optimal Gelegenheit hat. Vielleicht wandert ja das eine oder andere davon später in den Laufbericht.
In Schladming suchen wir den Einstieg, betreten hilfesuchend das nächste Sportgeschäft und landen einen Volltreffer. Der scharfe Sepp, nein, Sepp Scharf, der Eigentümer, ist einer der Organisatoren und stillt bereitwillig wie geduldig unseren Wissensdurst. Dank seiner Weisheiten fahren wir daher ins Untertal bis zum Parkplatz 1 (dem letztmöglichen) und durchwandern schon ein erstes Mal die Höll. Der Wahnsinn!
Sehr sportliche Menschen gibt es übrigens in dieser Gegend, und das nicht nur skifahrenderweise. Nein, nicht wirklich überraschend wird offensichtlich auch das Laufen sehr gerne betrieben, wie das kurz hinter Radstadt („Die Sportstadt“) beheimatete Laufhaus beweist. Allerdings beginnt die Sportstunde dort erst um 16 Uhr, das ist mir dann doch zu spät. In Obertauern hingegen hat's ein Freudenhaus. In dem werden allerdings Sportsachen verkauft. Da soll sich noch einer auskennen.
Nach 81 Männlein und Weiblein 2014 machen sich heuer 62 Personen (78 waren vorangemeldet, drei meldeten nach) auf, die Bergwelt zu erobern. Die Schladminger Läufer pflegen eine Partnerschaft mit dem Team Naunheim aus Wetzlar, der Schladminger Partnerstadt, daher sind heute wieder etliche Hessebebbel, nämlich neun, am Start zzgl. Fanclub. Leider erleben auch die kein besseres Wetter als ich: Eine schwere Nebelwolke liegt über uns, seit gestern regnet es Bindfäden. Das trübt zwar nicht meine Laune, aber die Sicht und dementsprechend die Fotoausbeute lassen deutlich zu wünschen übrig.
Der Start findet um exakt 9:09 Uhr am Hauptplatz statt, offensichtlich will man Kollisionen mit den Kirchgängern um 9 Uhr vermeiden. Hier gibt es auch die Startnummern, unmittelbar vor dem Start, dann erst wird auch gezahlt. Sehr gerne genommen wird der erste heiße Tee, der angesichts von höchstens sechs Grad zur Freude zahlreicher Teilnehmer schon angeboten wird. Selbstauferlegten Streß brauche ich heute keinen, daher gibt es keine persönliche Zeitvorgabe, die ohnehin niemandem nützt. Ich reihe mich ziemlich hinten ein und harre der Dinge, die da kommen mögen.
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