Albmarathon am 27.10.2007
Ab ins Jenseits - mein erster „echter“ Ultralauf
„Elke“, so sprach der schwer gezeichnete Autor unmittelbar nach dem Zieleinlauf seines 2. Marathons in Mainz 2003 zu seiner mittlerweile gesetzlich angetrauten Gattin, „Elke, sollte ich jemals, hörst Du, JEMALS die Absicht äußern, weiter als 42,195 km zu laufen, dann erinnere mich SOFORT an meinen jetzigen Zustand und was ich Dir soeben gesagt habe.“ Sie versprach es. Und jetzt stehe ich am Start in Schwäbisch Gmünd und mich erwarten 50 km und 1.100 Höhenmeter. Hat also nichts genutzt. Weiber...
Seit Mainz sind mehr als 4 Jahre vergangen. 11 weitere Marathons sind dazugekommen, einige fordernde Bergläufe und vor allem 3 Etappen des Rheinsteig-Erlebnislaufs mit Brigitte und Rudolf Mahlburg, die allesamt mehr als 50 km lang waren und teilweise über 2.200 Höhenmeter führten (Berichte aus 2006 und 2007 auf dieser Internetseite). Dabei habe ich zu meinem Erstaunen gelernt, daß man durchaus Strecken bewältigen kann, die man vorher für sich als unüberwindbar ansah. Die Ultras unter Euch wissen, was ich meine: Es kommt entscheidend darauf an, wie man das Ganze angeht. Bei den Erlebnisläufen hatten wir uns ordentlich Zeit gelassen und auch mal das eine oder andere Päuschen eingelegt. So kann man tatsächlich genießen, auch über vergleichsweise große Distanzen und überlebt in guter Verfassung.
Diese Erfahrung war es in erster Linie, die mich die Pobacken zusammenkneifen ließ und ermutigte, den Knopf „Absenden“ bei der Anmeldung zu drücken. Klar, Ihr Sesterheims, Heinigs, Duwes, Vielers, Ostertags, von Ulenieckis und etliche Andere, die Ihr mit links eine solche Strecke lauft und noch viel viel weiter mit vielen vielen Höhenmetern mehr, kennt das. Aber für den „normalen“ Marathoni (kann ein Marathoni überhaupt normal sein?) ist das schon das Überschreiten einer lange Zeit für unüberwindbar geglaubten Grenze in Richtung Jenseits.
So habe ich zwar nicht gerade die Hosen voll, denn dafür fühle ich mich im Rahmen des Machbaren zu ordentlich vorbereitet, aber gehörigen Respekt vor der Aufgabe habe ich schon. Das kann ja bestimmt nicht schaden. Wenn ich mich so umschaue, bietet sich doch ein etwas anderes Bild als bei gewöhnlichen Läufen, es scheinen mir wesentlich mehr Spezialisten am Werk zu sein. Hoffentlich bin ich hier nicht völlig deplaziert!
Das Schöne am Albmarathon ist für mich der Familienanschluß, denn ich kann bei meinem langjährigen Freund Manfred Laduch, der als Lokalredakteur bei der Rems-Zeitung aktiv ist, und seiner Frau Martina übernachten und lasse mich schon vor dem Lauf verwöhnen. Der bekennende Churchill-Fan („no sports“) läßt sich zwar nichts anmerken, zweifelt aber mit Sicherheit insgeheim an meinem Geisteszustand.
Am Vortrag machen Manfred und ich noch einen ausgedehnten Innenstadtbummel durch Schwäbisch Gmünd, der Großen Kreisstadt mit gut 60.000 Einwohnern, ca. 50 km ostwärts von Stuttgart gelegen, und besteigen den seit diesem Jahr wieder zugängigen Turm der romanischen Johanniskirche, von dem aus man einen herrlichen Rundumblick über den Ort des morgigen Geschehens inkl. der drei Kaiserberge hat. Hilfe, sind die weit entfernt! Ich beauftrage meinen Gastgeber, morgen vom Turm das ultimative Startfoto zu schießen, was aber wegen der ungünstigen Öffnungszeit nicht zu realisieren ist, schade.
Dann halte ich, wieder am Boden angelangt, Ausschau nach der in der Ausschreibung angekündigten Gams. Wenn sich der Rheinländer im Süden aufhält und „Gams“ vernommen hat, insbesondere in bergigen Gegenden, hält er Ausschau nach etwas Gehörntem. Die Gams entpuppt sich dann aber als GAMS, der Gesundheits- und Ausdauersportmesse Schwäbisch Gmünd. Schwäbisch Gmünd scheint von Gesundheitsaposteln und Ausdauerwundern bevölkert zu sein, die es nicht nötig zu haben scheinen, denn die „Messe“ entpuppt sich lediglich als (allerdings guter) Verkaufsstand eines örtlichen Sportgeschäftes, wo es alles Wichtige z. T. preisgünstig zu erwerben gab.
Die Startnummernausgabe verzögert sich um ein paar Minuten, dann habe ich als einer der Ersten meine Starttasche in der Hand. Eine Kappe und ein paar Warenproben sind doch ganz nett. Die Startnummer enthält auf der Rückseite einen Transponder (Bib-Chip) und ich wundere mich, daß man meinen Namen daraufgeschrieben hat. Tatsächlich wird sie nach dem Rennen nicht wieder eingesammelt und wiederverwendet, möglicherweise liegt hier noch ein Kostenoptimierungspotential. Dann geht’s zum Kohlehydrateschaufeln zum Italiener und ab in die Heia.
Aufgrund der Nähe meiner Unterbringung zum Start bin ich erst gegen 09.15 Uhr auf dem Marktplatz und verziehe mich noch ein wenig in das Wettkampfzentrum Prediger, das alte ehemalige unmittelbar am Startbereich gelegene Dominikanerkloster (einem von ehemaligen sechs Klöstern), in dem auch die GAMS und die Startnummernausgabe residieren. Wettermäßig sieht’s super aus, trocken und 8° beim Start. Gegen Nachmittag steigt das Thermometer noch auf 10°, Sonne sollte es aber leider keine geben, so bleibt es grau und diesig.
Die Popularität meines Gastgebers verhilft mir noch zu zwei Shakehands mit dem Kulturbürgermeister und dem OB, der schließlich mit einem wahren Kanonenschlag die Strecke freigibt. Das Starterfeld ist mit 1260 Teilnehmern sehr groß, da der Albmarathon gemeinsam mit dem Rechberglauf gestartet wird. Letzterer findet exakt auf den ersten 25 km der Langstrecke statt und endet auf dem zweiten Gipfel. Auffällig ist die starke Fraktion von Slowenen und Kroaten, hier zieht offensichtlich die Eigenschaft als letzter Wertungslauf des Europacups der Ultramarathons (50 km in Mnisek pod Brdy/Tschechei, 100 km in Biel/Schweiz, 53 km in Wachau/Österreich, 72,7 km am Rennsteig und 75 km in Celje/Slowenien). Leider halte ich am Start vergeblich nach meiner Internetbekanntschaft ThorstenHintsch.de Ausschau, den hätte ich gerne einmal live gesehen und gesprochen.
Die ersten km führen u. a. über die Schwerzerallee flach durch die Stadt hinein ins Beutental. Einen Vorgeschmack auf das Kommende bietet die erste noch harmlose Steigung bei km 4. Die erste Verpflegungsstelle naht, wie auch bei allen anderen, nach einer rechtzeitigen Ankündigung 200 m vorher, darauf kann man sich prima einstellen. Das Angebot ist schon hier ordentlich. Toll finde ich, daß offensichtlich die meisten Getränke temperiert sind und ich beschließe spontan, mich größtenteils an den leicht gesalzenen Tee zu halten, was mir auch gut bekommen ist. Hinter der Verpflegungsstelle warnt uns ein Verkehrsschild vor starkem Ausflugsverkehr. Den kann ich in der Tat vor und hinter mir reichlich in Form stramm bewadeter Athleten erkennen! Den Ort Beutental haben wir nach rund 7 km erreicht, er strahlt eine beschauliche Ruhe aus. Der Beutenhof wirbt zwar um Urlauber; das erreicht aber die Läufer zumindest heute nicht wirklich, denn, soweit ich es beobachten konnte, haben die meisten ihren Lauf fortgesetzt.
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