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25. Dreizinnenlauf am 10.09.2022


Das ist dreifach Spitze!

Lange überlegen wir, ob wir bei dem Nebel überhaupt starten sollen. Aber wenn man schon mal hier ist? Von der Auronzo-Hütte nehmen wir den 10 km-Rundweg rechts herum, nutzen den quasi Spazierweg und sehen – nichts. Doch langsam beginnt das eine oder andere kleine Blau aus den dichten Wolken zu blitzen. Die Löcher werden immer größer, und als die entscheidende Stelle kommt und wir um die Ecke biegen, trifft es uns wie ein Schlag. Aber positiv! Überwältigend grüßen uns die Drei Zinnen und mir ist sofort klar, daß ich zu gegebener Zeit zurückkehren werde, um den legendären Lauf von Sexten hinauf zu diesem Naturwunder anzugehen.

Vier Jahre ist das her, endlich ist es soweit. Mit einigen heimischen Lauftrefflern, verstärkt durch meine Fraktion aus München und Tirol, sind wir zu einem verlängerten Wochenende hergekommen, um die 25. Ausgabe des berühmten Dreizinnenlaufs unter die Füße zu nehmen. 17 km mit 1.333 HM lautet die selbstgestellte Aufgabe, auf die wir uns seit etlichen Wochen freuen. Wie viele Mittwoche wurde bei der Lauftreffrunde darüber gesprochen und Höhenmeter trainiert, das soll sich jetzt auszahlen. Um die Kosten niedrig zu halten, haben wir unser Quartier in Osttirol, genauer gesagt in Obertilliach, aufgeschlagen. Hier holen sich einige bei schönen Wanderungen den letzten Schliff.

Natürlich hoffen wir alle, die Originalstrecke mitten durch das Dolomiten UNESCO Welterbe nehmen zu können: Durch das Fischleintal und unterhalb des markanten Zwölferkofels zur Zsigmondyhütte vorbei zum Büllelejoch und weiter oberhalb der Bödenseen zum Ziel an den weltberühmten Drei Zinnen.
 

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Eine Alternativlösung gibt es zwar, aber daran wollen wir doch keinen Gedanken verschwenden. Obwohl – bei diesem Wetter? Als wir in Sexten aus dem Auto steigen, um im Haus Sexten unsere Startunterlagen zu empfangen, ist es kühl und schüttet wie aus Eimern. Sehr wenig verheißungsvoll für morgen. Dabei ist das Ambiente klasse: Große Halle, großzügig überdachter Vorbereich, jede Menge Tische und Bänke, kleine Messe, Videowand. Schau'n mer mal. Egal, was da kommen mag, überwältigt uns schon die Masse der Beigaben, die eine Stofftragetasche prall füllen: Äpfel, Kekse, Schüttelbrot, Sonnenbrille, div. Getränke und mehr machen den wasserdichten Rucksack (Dirt bag mit Trägern) schwer. Für diesen sind 30 € Pfand zu hinterlegen, weil keine anderen Behältnisse zum Ziel transportiert werden, standesgemäß per Helikopter. Viele von uns werden ihn am Ende nicht zurückgeben und behalten, denn er ist sehr praktisch und auch dank des großflächigen Aufdrucks ein wunderbares Teil zum Angeben.

Am nächsten Morgen sieht die Sache mit dem Wetter schon sehr viel besser aus, es ist erträglich mild und vor allen Dingen trocken, woran sich bis zum Nachmittag nichts ändern soll. Früh vor acht Uhr, mehr als zwei Stunden vor dem Start, bin ich mit unseren Fans Iris, Barbara und Elke erneut am Haus Sexten, denn ihr Shuttlebus fährt früh um 8 Uhr ab. Von der Auronzohütte werden sie zudem noch fünf km zur Dreizinnenhütte marschieren dürfen. Auf der Videowand zeigt man uns Live-Bilder vom Ziel, der Ort unserer Sehnsucht zeigt sich bei noch leichtem Frost wolkenfrei vor stahlblauem Himmel, ein Traum. Ein Traum, von dem uns noch 17 km mit 1.333 HM trennen, denn daß es auf die Originalstrecke gehen kann, steht außer Frage. Eine halbe Stunde vor dem Start sind alle Rucksäcke abgegeben, die Ersten trollen sich in den Startbereich. Als mutig empfinde ich die ganz in Kurz laufenden Kollegen, ich habe mich für je ein Lang- und Kurzarmshirt entschieden und werde damit am Ende für mich richtig gelegen haben.
 

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Bei strahlendem Sonnenschein geht es pünktlich um zehn Uhr los. Man schickt uns zunächst einmal in die falsche Richtung auf eine Dorfrunde, damit auch alle Fans ausreichend Gelegenheit haben, uns gebührend zu bewundern und Beifall zu zollen. Ich halte mich, wie es sich für mich geziemt, unauffällig im hinteren Bereich auf. Die paar Höhenmeter im Ort überzeugen den einen oder anderen schon zu flottem Gehschritt, dem ich noch entsage. Nach wenigen Minuten sind wir wieder zum Haus Sexten zurückgekehrt und verlassen bald darauf den Startort auf der breiten Landstraße. Rechts und links beeindrucken bereits graue Dolomitenzacken, die ich so sehr schätze. Günther, unser Tiroler, der sich nach seinem Achillessehnenanriß von vor sechs Wochen erst auf den letzten Drücker dann doch für den Start entschieden hat, überholt, und wird am Ende natürlich weit vor mir oben eintreffen. In Moos nichts los? In der nächsten Ortschaft ist fanmäßig auch einiges gebacken, vor allem der bald startende Helikopter erregt allgemeine Aufmerksamkeit. Schon bald wird er über unseren Köpfen kreisen, vor meinem geistigen Auge erscheint der Michi von den Bergrettern, eine echte Beruhigung. Serienfan Tobi wird er ebenfalls nicht entgangen sein.

3:40 Std. Wanderzeit zur Dreizinnenhütte zeigt der Wegweiser an, als wir von der Landstraße auf den geschotterten Wanderweg abbiegen. So viel Zeit werde ich hoffentlich ja nicht brauchen, auch wenn mir klar ist, daß heute lange Gehpassagen dabei sein werden. Ich treffe Monika und Frank, unsere Serientäter hier vor Ort. Moni hat extra ihren Urlaub verlegt, als sie unsere Lauftreffaktion mitbekam, so sehr schätzt sie gleichermaßen Kurs und Gegend. Eingerahmt von sattgrünen Wiesen und durch lichten Lärchenwald steigt der Weg langsam an, Laufen ist problemlos möglich. Schon sind die ersten fünf km gepackt, ich fühle noch keinerlei Anstrengung. Der Untergrund wird gröber, später als angekündigt erscheint der erste VP an der Fischleinbodenhütte (1.454 m, gestartet waren wir auf 1.320 m) mit Flüssigem. Locker-flockig geht es weiter, der Pressemensch auf dem Quad verfolgt lange die Kollegin von der Fraktion „Zu fett fürs Ballett“, ihr blonder, wippender Pferdeschwanz hat es ihm ganz offensichtlich besonders angetan.
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Gute sieben km sind geschafft, die Rest-km nunmehr schon nur noch einstellig, als uns an der Talschlußhütte (1.548 m) schon der zweite VP, diesmal auch mit fester Nahrung, beglückt. Wie immer, insbesondere auf einer solch vergleichsweisen Kurzstrecke, halte ich mich ausschließlich an Flüssiges. Noch laufe ich unverdrossen, weiß aber, daß das bald ein Ende haben wird. Landschaftlich wird es immer besser, so, wie ich es liebe: Steinig, Brücken, Latschenkiefern zu beiden Seiten. Mein Hang zum 1. FC Kaiserslautern, endlich wieder in die 2. Liga aufgestiegen und sich dort wacker schlagend, begründet meinen besonderen Bezug zu diesem Gewächs (ein Hersteller von Latschenkieferbalsam ist Trikotsponsor des FCK). Und dann ist tatsächlich nicht Schluß mit Lustig, aber doch mit dem Laufen, meine Preisklasse befindet sich unisono in demütigem Wanderschritt. Längst ist der feine Schotter von grobem, unregelmäßigem Gestein abgelöst worden.

In Serpentinen zieht sich der Weg weiter bergan, Bergretter bewachen unseren Aufwärtsdrang. Also die richtigen, nicht Markus, Tobias und Katharina aus der Serie. Klasse ist bereits der Blick talabwärts zurück. Ich liebe Berge, falls ich es nicht schon mehrfach ex- und/oder implizit geäußert haben sollte. Stramm aufwärts unterstützt die eine oder andere gezimmerte und mit Steinen gefüllte Treppe unser Fortkommen. Klettern ist mittlerweile angesagt, nichts Gefährliches, aber aufpassen sollte man schon. Grandios ist unverändert das Wetter, kühl zwar in den Schattenpassagen, aber immer wieder mild, sobald ich in die Sonne komme. Kurze Abwärtspassagen werden zum Schwungholen genutzt und Schuttberge durchquert, sie zeugen vom ganz langsamen Vergehen dieser Landschaft über die Jahrtausende. Zehn km sind geschafft, deren sieben, die es in sich haben werden, harren noch der Bewältigung. Wir nähern uns der Baumgrenze, mit lautem Geknatter wacht „Michi“ über unseren Köpfen, jederzeit heldenhaft zum Eingreifen bereit.
 

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Über teils blanken Fels geht es weiter, teilweise muß ich mir den besten Weg suchen. Lohnenswert ist der Blick zurück, zu viele von uns nehmen sich nicht die Zeit dazu und versäumen Traumhaftes. Überholt wird nur noch selten, bergauf schon gar nicht. Eine längere Bergabpassage, auch die gibt es hin und wieder, hilft beim Streckemachen. Aber, wie gewonnen, so zerronnen, kennt der Weg letztendlich nur eine Richtung: Aufwärts. Die Baumgrenze ist erreicht, nurmehr Büsche zieren vereinzelt die graue Landschaft, eine Farbe, die sich leider immer mehr auch am Himmel breit macht. Sämtliche Wetter-Apps haben uns allerdings Trockenheit bis in den Nachmittag hinein versprochen, darauf möchte ich mich gerne verlassen können. Von hinten werde ich erkannt, Steffen Rothe gibt sich zu erkennen. Viele Etappen haben wir gemeinsam vor Jahren auf dem Rheinsteig-Erlebnislauf, Gott habe ihn selig, absolviert. Schön ist das Wiedersehen nach etlichen Jahren, doch knapp der Atem, zumindest meiner. Hoch über uns erscheint mit der Zsigmondy-Hütte auf 2.224 m am Fuße des Zwölferkogels erfreulicherweise ein weiterer markanter Wegpunkt. Die Hütte wurde nach dem Wiener Alpinisten Emil Zsigmondy benannt, in brauner Zeit trug sie auch schon mal den Namen des „Duce“. Uns beglückt sie nicht nur mit dem vollen Verpflegungsprogramm, sondern auch mit zwei Musikanten, die mit Quetschkommode und Topfdeckeln einen Riesenradau veranstalten. Klasse! Die zweite Zwischenzeitnahme nach der Talschlußhütte erfolgt.

Fünf km sind es noch, der Weg wird haarig, aber nie wirklich gefährlich. Dafür ist es ohne Sonne frisch, ich bin froh über meine Doppellösung Oberbekleidung. Vier km noch, einträchtiges Wandern. Das Höhenprofil verspricht uns nach km 14 drei Bergab-km, allein dem Braten traue ich nicht, dafür habe ich schon zu viele Überraschungen erlebt. Anstrengend, aber herrlich ist der Weg durchs Gestein, ich bereue keinen einzigen der 800 km Anfahrt von zuhause aus. Ist das schon die letzte Höhe? Nein, hinter der Kurve geht es weiter aufwärts. Doch, jetzt geht’s hinunter! Aber doch bald auch wieder umgekehrt. Kein Klagen, Wolfgang, genau deswegen bist Du angereist! Ach, es ist so schön, traumhaft ist die Rundumsicht, auch weitestgehend ohne Sonne. Ah, da sehe ich sie, den letzten Ort der Begierde vor dem Ziel! Näher und näher kommt sie, die Büllelejoch-Hütte auf 2.528 m. Wieder gibt es das volle Programm, ich schwelge u.a. in Orangenschnitzen und Cola, lasse einige Zeit beim Verpflegen liegen. Aber wen interessiert das? Noch eine Stunde zur Dreizinnenhütte weist der Wegweiser aus, als ich mich dann endlich losreiße. Eine Zeit, die ich doch hoffentlich nicht benötigen werde.
 

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Immer noch geht es höher hinaus, es scheint kein Ende zu nehmen. Ich meine einen Alphornbläser zu vernehmen, werde ihn aber nicht zu Gesicht bekommen. Dann, endlich, geht es abwärts. Allerdings natürlich direkt so steil, daß, zumindest bei mir, an raumgreifende Schritte kaum zu denken ist. Ich will mich ja auch nicht verletzen, und das schon gar nicht so kurz vorm Ziel, wie fatal wäre das denn? Richtig kalt ist es inzwischen geworden und genauso richtig geil ist der Blick voraus auf den dünnen Fußweg durch die Schuttkare. Letzter km! Von wegen bergab! Immer wieder verfalle ich  in einen schleppenden Schritt. Die Erkältung, die ich mir wohl in Irland eingefangen habe, und der zum Trotz ich doch gestartet bin, raubt wohl schon einiges an Kraft (mein Start wird aber ohne gesundheitliche Nachteile bleiben). Ah, Hallelujah, am nächsten Grat sehe ich ein Gebäude aufblitzen und höre die Zielmoderation. Viele Menschen blicken auf uns herab und hoffen, in der bunten Schlange ihre(n) Liebsten zu entdecken. Mei Oide is a do, und gemeinsam mit Bärbel und Günther trägt mich ihr Applaus auf 2.405 m Höhe ins Ziel, im Hintergrund die unvergleichlichen Drei Zinnen. Natürlich erst, nachdem ich mich bei der Gattin „mündlich“ bedankt habe.
 

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Ich empfange die ersehnte, schöne Medaille, ein weiteres Schmuckstück für die heimische „Wall of Fame“. Erfreulicherweise bin ich, wie insgeheim erhofft, noch unter drei Stunden geblieben. Als ich mich fotografisch einigen Zieleinläufen widmen will, u.a. dem nur wenige Minuten nach mir eintreffenden fünfundsiebzigjährigen Thaler Josef aus dem Sarntal, gibt mein Akku seinen Geist auf, die Jubelszenen müßt Ihr Euch also vorstellen. Mit Achim beglückwünsche ich Etienne und Klaus im Ziel und gemeinsam staunen wir Bauklötze, daß unser Arne, frisch in der M 50, in 2:06 Std. einen sagenhaften 59. Gesamtplatz erringen konnte. Zweiter unserer Truppe wurde Bergretter-Fan Nr. 1, Tobi. Meine Wechselbekleidung bekomme ich umgehend und kann mich in einem geschlossenen Zelt wieder menschlich machen und der phantastischen Zielverpflegung hingeben.

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Damit wären die meisten Laufberichte am Ende, nicht jedoch dieser. Denn, wir haben es gewußt, so hoch hinaus können keine Busse fahren, daher steht uns noch ein Abstieg zur Fischleinbodenhütte bevor. Ich gebe es zu, den habe ich unterschätzt. Fast tausend Meter verlieren wir über einen nicht minder anspruchsvollen Parallelweg durch jede Menge Geröll auf 7,3 km. Ziemlich platt komme ich endlich an der Haltestelle an, um dort eine gute halbe Stunde mit zahlreichen anderen im Regen auf den nächsten Bus zu warten. Das muß im kommenden Jahr verbessert werden, schließlich beträgt die einfache Strecke zum Haus Sexten gerade mal vier km. Dort geben wir uns ungehemmt der göttlichen, im Preis inkludierten Nudelparty hin und genießen gleichermaßen Speis, Trank und Siegerehrung. Im Ziel vom Moderator nach meinen Eindrücken befragt (scheinbar habe ich mich durchaus und das völlig zu recht euphorisch geäußert) wurde ich gebeten, gerne wieder zu erscheinen. Gründe, das zu realisieren, gab es en masse. Moni und Frank, die Begeisterung, die Euch immer wieder hierher führt, kann ich jetzt unschwer nachvollziehen. Toll war's!
 

Diesen Bericht gibt es mit sehr viel mehr Fotos auch auf trailrunning.de!

Streckenbeschreibung:
Punkt-zu-Punkt-Kurs über 17 km mit 1.333 HM durch eine wunderbare Landschaft. 3 Cut-Off-Zeitpunkte, Bruttozeitnahme! Offizielles Zeitlimit 4:15 Std.

Startgebühr:
75 – 95 € je nach Anmeldezeitpunkt.

Weitere Veranstaltungen:
Kinderläufe („Mini Drei Zinnen Alpine Run“)

Streckenversorgung:
Mehrere VP, erst mit Flüssigem, später Vollversorgung mit allem, was man sich vorstellen kann.

Auszeichnung:
Medaille.

Leistungen/Logistik:
Pastaparty, Kleidersacktransport per Hubschrauber ins Ziel.

Zuschauer:
Innerorts und am Ziel mehr als von mir erwartet.