Marine Corps Marathon am 29.10.2006
Militärisch präzise durch Washington (D. C.) - Sightseeing auf besondere Art
Manchmal trifft einen das Schicksal besonders hart. Unglücklicherweise muß ich im Rahmen meiner beruflichen Aufgaben einmal im Jahr nach Virginia/USA reisen. Und noch einmal unglücklicherweise bin ich dabei weitestgehend Herr meiner Termine.
So trafen also rein zufällig der 31. Marine Corps Marathon (MCM) in Washington (D. C.) und der Zeitpunkt meiner Dienstreise punktgenau aufeinander. Was lag also näher, als die Gelegenheit beim Schopf zu ergreifen und die Laufschuhe zu schnüren? Wann kann man schon einmal weit weg von zuhause im Ausland starten und muß lediglich das Startgeld berappen?
A propos „D. C.“: dies bedeutet District of Columbia und unterscheidet so Washington (Stadt) von Washington (Staat, im Nordwesten, Seattle, Boeing-Werke – gegründet von William Boeing, einem Sohn des deutschen Einwanderers Wilhelm Böing aus Westfalen). Für die vom Franzosen Pierre Charles d’Enfant (Freiwilliger Kriegsteilnehmer unter George Washington) am Schreibtisch geplanten Bau der Hauptstadt der neuen Nation hatten die Bundesstaaten Virginia und Maryland ein Quadrat mit exakt 10 Meilen Seitenlänge abgetreten. Aufgrund einer Deutschlandreise Thomas Jeffersons, des späteren 3. Präsidenten, orientierte er sich am dabei am Stadtbild Karlsruhes. Von D. C. ist heute nur noch der nördliche Teil übrig, der Rest (heute die Stadt Alexandria) schloß sich 1846 wieder Virginia an, weil die Stadt nicht schnell genug wuchs. Im Süden wird D. C. heute durch den Potomac River begrenzt, der beim Marathon zweimal überquert wurde. 1. Lektion des heutigen Weiterbildungsprogramms. Dies ist ja schließlich eine lehrreiche Webseite.
Der Marine Corps Marathon: kaum einer hierzulande kennt ihn und doch war er in 2005 lt. RUNNER’S WORLD mit über 19.000 Finishern der achtgrößte der teilnehmerstärksten Marathons weltweit.
Ausgerichtet vom Marine Corps, einer Teilstreitkraft der US-amerikanischen Armee, steht er jedermann/-frau zur Teilnahme frei und zeichnet sich – wen wundert’s – durch eine perfekte Organisation aus. Angeboten werden neben 26,2 Meilen ein „10K run“ und ein Kinderlauf.
Für manche gewöhnungsbedürftig war sicherlich schon die Anmeldung: man wurde aufgefordert, seinen Nationalstolz und Patriotismus dadurch zu beweisen, daß man sich ganz schnell anmeldet und das Vorjahresergebnis (also die Zeit zwischen Anmeldebeginn und –schluß) unterboten wird. Die Starterliste wurde nach knapp 4 Tagen geschlossen... Und auf der Trainings-DVD, die ich mir interessehalber aus Hawaii (!) habe zuschicken lassen, schreit einen irgendein emeritierter Drill-Seargent aus dem Orga-Team an, man solle gefälligst seinen A...allerwertesten aus dem Sessel heben und mit dem Training beginnen. Some kind of strange. OK, an dieser Stelle muß ich wegen der DVD zugeben, daß die eingangs geschilderten Zufälle doch nicht ganz so zufällig waren.
Ich komme am Mittwoch vor dem Lauf müde in D. C. an, problemlose Einreise. Als Hauptgrund meines Hierseins gebe ich – nicht ganz wahrheitsgemäß - dieses mal die Teilnahme am MCM an, was an der Paßkontrolle ein ehrfürchtiges „Great“ hervorruft. Wie lange ich denn in den USA bleiben würde? Acht Tage. Na ja, meinte er, diese Zeit sollte für den Marathon wohl reichen! Mit dem Mietwagen geht’s zum Motel ins nahe Virginia und jetzt gilt es, das Einschlafen möglichst lange herauszuzögern, um den Jetlag (6 Stunden Zeitunterschied) möglichst gut zu verarbeiten. Nach einem guten Abendessen beim Italiener (ja, liebe Leute, es gibt tatsächlich Alternativen zum Fast Food) fallen mir gegen 22 Uhr (4 Uhr MESZ) die Augen zu.
Militärs zeichnen sich in der Regel durch eine gute Organisation aus. So stellte das Bundeswehrkommando schon am Freitag einen Bus, mit dem ich und die anderen 12 deutschen Teilnehmer der Bundeswehr frühzeitig die Startunterlagen abholen konnten. Das Angebot war einer großen Veranstaltung angemessen. Besonders interessant war ein Stand mit Auslaufschuhmodellen für sage und schreibe 40 $ (das Paar, wohlgemerkt!).
Noch ein Wort zur Pasta-Party, die natürlich auch hier am Vorabend angeboten wurde: 26 $ war mir diese Geschichte nicht wert und so ging’s halt noch einmal zum Italiener, den ich schon am Mittwoch beglückt hatte. 32 $ für ein MCM-Laufshirt, 32 $ für eine kurze MCM-Laufhose, 18 $ für eine MCM-Kappe... Insgesamt sind die Preise, nicht nur der der Pasta-Party, schon gesalzen.
Am Tag des Laufs konnte ich aber erneut nicht meckern: wieder brachte uns ein Bus frühzeitig direkt zum Startbereich, so daß nur kurze Fußwege zurückzulegen waren. Das Wetter ist schon recht angenehm, aber zum Laufen völlig OK, die Zeitumstellung ließ die Sonne dazu eine Stunde früher als gewohnt aufgehen. Bei ca. 10° ging’s los und bis mittags waren es etwa 15°. Glücklicherweise bewahrheitete sich wieder einmal die alte Weisheit: das Schönste an den USA ist der blaue Himmel über Washington! Toll ist, daß wir unsere Sachen nicht im UPS-Wagen (lange Abholwege mit müden Beinen) unterbringen müssen. „Reiseleiter“ Olaf S. schlägt unser „Hauptquartier“ unter einem markanten Baum in unmittelbarer Zielnähe auf und nimmt die Wertgegenstände an sich. Wir haben hinterher nichts vermißt.
Jetzt aber zum Lauf selbst: ich glaube, es gibt nur wenige Veranstaltungen, die derart massiert an so vielen Sehenswürdigkeiten vorbeiführen. Fast alles, was in Washington D.C. Rang und Namen hat, wird während des Laufs gestreift. Es ist wirklich außerordentlich beeindruckend.
Wir starten nach der sog. Patriotic Start Ceremony mit viel Tschingerassabum, Fahnen und Nationalhymne in zwei Wellen und 2 Reihen pünktlich um 08.35 Uhr am Arlington National Cemetary, der letzten Ruhestätte für über 260.000 Angehörige des Militärs und Nationalhelden. Die zweite Welle startet ca. 15 Minuten später, da ein Läufer am Start kollabiert und zunächst auf der Strecke behandelt wird. Die ersten beiden Meilen führen uns über den Lee Highway, teilweise parallel zur Autobahn 66 (nein, das ist nicht die berühmte „Route Sixtysix“...). Die erste von 13 Wasserstation (Wasser und Iso) erreichen wir bereits nach 2 Meilen und haben dabei auf der zweiten Meile ca. 40 Höhenmeter „überwunden“.
Kurz danach wechseln wir auf den Spout Run Parkway, um über den George Washington Memorial Parkway auf den Potomacc River zuzulaufen. Ein schöner Streckenabschnitt durch herbstlaubgefärbtes Waldgebiet. Der Potomac ergießt sich von seinem Ursprung in West Virginia nach ca. 616 km in die Chesapeake Bay. Der Fluß bildet in seinem Verlauf Teile der natürlichen Grenzen zwischen Maryland, West Virginia, Virginia und dem District of Columbia. Während des Sezessionskriegs kam dem Wasserlauf aufgrund des häufig wechselnden Frontverlaufes eine wichtige Rolle bei den Rückzugsoperationen beider Heere (Nord- und Südstaaten) zu.
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