|
|
|
|
|
|
11. Eifel-Marathon am 08.06.2008
Natur laufend erlebt
„Da, wo im Volksmund das Ende der Welt ist, führt der Eifelmarathon noch weiter“. Also noch vorbei am A. d. W.? Hinter dem Bretterzaun links? Nein, so schlimm ist’s wirklich nicht! Ganz im Gegenteil.
Natürlich sitzt den Organisatoren der Schalk im Nacken, wenn sie sich selber auf den Arm nehmen und das Schönste an ihrem Lauf so überspitzt darstellen: die tolle Mittelgebirgslandschaft in Luxemburger Nähe inkl. des Bitburger Stausees (nein, der ist NICHT mit Bier gefüllt!), die auch ohne Laufveranstaltung schon einen Besuch wert ist.
In meinem diesjährigen Mix aus Stadt- und Landschaftsläufen berichte ich heute also aus der (Süd)Eifel, die erstaunlich groß ist, wenn ich bedenke, daß diese, rein geologisch gesehen, keine 15 km von meinem Wohnort entfernt auf der anderen Rheinseite beginnt und ich eindreiviertel Stunden und 170 km nach Waxweiler, dem Start- und Zielort, unterwegs bin. Rund 1.100 Einwohner bei leicht rückläufiger Tendenz bevölkern seit ca. 150 n. Chr. diesen Platz (man fand die Überreste einer römischen Siedlung).
|
|
|
|
Der ganze Stolz der Waxweiler Bevölkerung ist die Pfarrkirche, in bzw. vor der die Echternacher Springprozession ihren Anfang genommen haben soll. Denn angeblich zogen die Waxweiler seinerzeit das Feiern und Tanzen vor der Kirche dem andächtigen Lauschen der Predigt in der Kirche vor. Dies erboste den Hl. Willibrord derart, daß er die Waxweiler dazu verdonnerte, künftig ständig zu tanzen und zu springen. Das wurde denen auf die Dauer dann doch zu langweilig und nachdem sie versprochen hatten, nach Echternach – von hier aus war Wllibrord zu seiner Missionsarbeit aufgebrochen – zu pilgern, durften sie sich wieder normal bewegen. Welch ein Glück für uns! Es gibt zwar Rückwärtsläufer, aber ich möchte mir nicht das bescheuerte Bild Hunderter springender und tanzender Marathonis über 42,195 km vorstellen!
Auf 345 m Höhe über NN erfolgt pünktlich um 9 Uhr der Startschuß und 170 Läuferinnen und Läufer über die Marathondistanz (mit den anderen Disziplinen zusammen werden insgesamt 366 im Ziel sein) begeben sich auf die Strecke, um, dem Motto der Veranstaltung folgend, laufend die Natur zu erleben. Die es auch reichlich zu genießen gibt. Grob gesagt führt der Kurs von Waxweiler über viele, teilweise echt fordernde, Steigungen und Gefälle entlang des Flüßchens Prüm zum Bitburger Stausee und umrundet diesen. Zurück geht es die erste Hälfte auf der anderen Prüm-Seite, die km 31 bis 37 sind identisch mit dem Hinweg und ab da wieder auf der anderen Seite des Flusses bis ins Ziel.
|
|
|
|
Ich treffe u. a. Bernhard Sesterheim mit seiner Freundin Birgit Hagelauer im Vorfeld des Wettkampfs. Der sympathische Ultraläufer, der auch auf dieser Seite schreibt, ist hier im Jahr 2000 seinen ersten Marathon gelaufen und kehrt immer wieder gerne zurück. Was ihm auch leicht fällt, denn er wohnt vergleichsweise um die Ecke an der schönen Mosel. Ich freue mich über sein neues Buch, das er mir inkl. Widmung mitgebracht hat und das ich im Urlaub genüsslich zu lesen gedenke.
Eine reichliche 5 km-Schleife um den Ort führt uns schließlich erneut durch den Startbereich (damit werden die fehlenden km der Hauptstrecke Waxweiler – Stausee – Waxweiler ausgeglichen). Gleich nach den ersten 1000 m steht unser Freund Michel, der Marathon-Weltenbummler aus Frankreich, in seiner unnachahmlichen Art auf der Strecke und feuert uns an. Ich freue mich immer wieder, dieses Gute-Laune-Paket zu treffen und nutze das nächste Zusammentreffen für ein gemeinsames Foto. Vorbei an einem imposanten Steinbruch kommt die erste von ungezählten Verpflegungsstellen (super!). Die sind heute auch bitter notwendig. 14° hat’s am Start und wolkig ist es, doch der Himmel wird schnell aufreißen und die Sonne die Temperatur bis auf 24° schrauben.
|
|
|
|
|
Das erste Mal wird die Prüm überquert und die Oma im ersten Stock eines Waxweiler Hauses freut sich über den Dödel, der nicht besseres zu tun hat, als stehen zu bleiben und sie abzulichten. Nach Km 9 erreichen wir das Örtchen Niederpierscheid mit gut 40 Einwohnern. Insgesamt läßt sich für die ganze Region feststellen, daß sie nicht nur dünn besiedelt, sondern einem ständigen Bevölkerungsrückgang ausgesetzt ist. Kein Wunder, wovon sollen die Menschen leben? Ich verstehe, warum in früheren Jahrhunderten die Leute in großer Zahl diese Gegend, insbesondere auch in Richtung USA verlassen haben. Leider konnte und kann man von der rauhen und trotzdem schönen Landschaft kaum leben. Vielleicht schafft die neue Autobahn 60 etwas Abhilfe, indem sie den Anschluß an benachbarte Ballungszentren schafft.
Offenherzige Menschen sollen wir lt. Veranstalter übrigens unterwegs kennenlernen. Da ich dem Frieden in dieser Gegend aber nicht traue, habe ich zur Sicherheit meinen Freund Hans-Peter Probst mitgebracht, mit dem ich im In- und Ausland gemeinsam schon manchen Schweißtropfen vergossen habe. Der soll mich im Zweifelsfall vor dem wilden Bergvolk schützen und bleibt auch die erste Hälfte brav bei mir, bis wir erkannt haben, daß die Zivilsation auch vor der Südeifel nicht halt gemacht hat.
|
|
|
|
|
Bei ca. Km 12 passieren wir Mauel und ich halte Ausschau und spitze die Ohren nach dem Quetschebichel-Mann (Akkordeonspieler), der hier traditionsgemäß die Läufer unterstützen soll. Der aber hat entweder gerade Sendepause oder ist sonst wo auf Abwegen, jedenfalls können wir ihn weder hören noch sehen. Eine heftige Steigung, die auf dem Rückweg (gefühlt) noch sehr viel heftiger ausfallen wird, führt uns an Oberpierscheid mit seinem Schloß Merkeshausen vorbei.
Weiter streifen wir Echtershausen und nähern uns einem, wenn nicht DEM echten Höhepunkt der Strecke: Dem Schloß Hamm. Das in mehreren Zeitabschnitten entstandene und noch bewohnte Schloß besteht u. a. aus dem im 14. Jahrhundert errichteten Bergfried und dem Torbau aus dem 16. Jahrhundert. 1885/96 und zuletzt 1998 wurde das gesamte Bauwerk vollständig saniert und instandgesetzt. Die dem Schloss angegliederte Kapelle ist gelegentlich Stätte von kirchlichen Trauungen, ebenso wie der gotische Saal des Schlosses, der vom Standesamt Bitburg-Land als Trauzimmer genutzt wird.
Hier laufen wir durch ein Schloßtor auf den Innenhof, wo auch der Teamwechsel des Staffelmarathons stattfindet. Jeder Läufer wird namentlich begrüßt und mit den besten Wünschen weitergeschickt. Das ist doch mal eine nette Geste! Durch ein weiteres Schloßtor verlassen wir die Burg wieder und eilen in Richtung Stausee.
|
|
|
|
Das vorher tangierte Örtchen Hamm (Eifel) bei etwa km 20 besitzt etwas weniger Einwohner als das westfälische Hamm, nämlich stolze 17 (siebzehn). Die Einwohnerzahl hat in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich abgenommen, womit Hamm heute eine der kleinsten Gemeinden in Rheinland-Pfalz und Deutschland ist.
Auf einem teils geschotterten, teils asphaltierten 5 km-Rundweg umkreisen wir den Stausee Bitburg (Hochwasserrückhaltebecken, 2 km lang und bis 9 m tief, touristisches Zentrum der Stadt Prüm und beliebtes Ausflugsziel) und passieren ein alleinstehendes Hotel. Davon abgesehen, daß es in meinen Augen eine echte Bausünde ist (zu groß, zu kantig, langweiliger Betonbunker, deshalb wird auch kein Foto verschwendet) wundert mich, daß man es scheinbar nicht für nötig hält, sich den Läufern zu präsentieren. Sonderbar, wenn man bedenkt, daß das Hotel bis vor drei Jahren als Start- und Zielbereich des Eifelmarathons zur Verfügung stand.
Bei km 25 streifen wir Biersdorf am See (mit ca. 550 Einwohnern schon ein großes Dorf) und durchlaufen noch einmal das Schloß Hamm. Das ist wirklich eine Augenweide.
Langsam werden mir vom ständigen Auf und Ab die Beine schwer. Hans-Peter hat sich längst verabschiedet und strebt dem Ziel schnellen Schrittes entgegen. Und bezahlt dafür heftig mit Krämpfen bei km 40, die ihm eine Zwangspause von bald 5 Minuten an und auf den Leitplanken einbringen.
|
|
|
|
Wie eine Wand empfinde ich die Steigung bei km 33, die mir schlagartig klarmacht, daß ich mein Vorhaben, trotz Fotografierens unter 4 Stunden zu bleiben, hier und heute vergessen kann. Lag ich bei Halbzeit noch knapp unter 2 Stunden, ist an dem Erreichen meines Zeitziels auch aufgrund zweier weiterer knackiger Anstiege bei km 37 und 39 nicht zu denken. Ich hoffe, mich hat keiner marschieren sehen... Aber was soll’s, meinem gesamten Umfeld geht es keinen Schlag besser. Ja, das ist ein hartes Stück Arbeit heute, denn der Rückweg ist vom Profil her gesehen die zweifelsfrei schwierigere Hälfte. Auch die ständig wechselnden Böden (gröbster Schotter, feiner Schotter, breite Wege, schmale feuchte Wege, Trampelpfade, Asphalt und das in ständigem Wechsel) fordern mich.
Urmauel, das im Mittelalter wegen der Hochwassergefahr nach oben verlegt worden war (nach Mauel, das „mit ohne“ Akkordeonspieler) ist ein kleines Örtchen von knapp 70 Einwohnern, ebenfalls leicht rückläufig. Hier, wie auch an den anderen Orten fühlt man sich bei Betrachtung mancher Bausubstanz 50 bis 70 Jahre in die Vergangenheit versetzt.
Auf dem letzten Drittel versucht mich Helmut Hardy aus Beverau (Aachen), mit dem ich schon manche Etappe des Rheinsteig-Erlebnislaufs absolviert habe, aufzumuntern und abzulenken. Aber diese Kassette im Ohr kann ich zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht mehr haben und werde von zunächst zwei- über ein- schließlich nullsilbig. Entschuldige, Helmut, Du hast es gut gemeint, aber die Eifel hat mich heute geschafft!
Die letzten zwei km geht es nur noch auf einer Straße bergab, Gott sei Dank. Von wegen! Leck mich inne Täsch, wie man bei uns zu sagen pflegt. Dieser Abstieg nach Waxweiler haut noch mal so richtig rein und gibt den geschundenen Beinen den Rest. Einen km vor dem Ziel höre ich dann die Zielansage und kann den schönen Einlauf nach 4:01:44 Stunden in Anbetracht des nahen Endes doch schon wieder genießen. Man muß ja schließlich auf dem Finisherfoto entspannt wirken, auch wenn’s sich ganz anders anfühlt!
|
|
|
|
Im Ziel gibt es einen persönlichen Empfang durch den Sprecher (das tut gut!), einen netten Glückwunsch, eine Verpflegungstüte mit gut brauchbarem Inhalt, die sauer erlaufene Medaille und jede Menge zu trinken. Die Massagemöglichkeit nehmen wir nicht in Anspruch und setzen uns nach einer ordentlichen Regenerationsphase früher als eigentlich notwendig wieder ab. Denn die Fußball-EM 2008 ruft und bis dahin wollen wir ja ordentlich wiederhergestellt sein.
Schön, daß die Teilnehmerzahl nach Jahren des Rückgangs zum ersten Mal wieder deutlich erhöht ist. Waren 2007 noch 141 Marathonis im Ziel, schafften es heuer 170. Die Gesamtteilnehmerzahl stieg von 305 auf 366, eine sehr erfreuliche Tendenz. Denn gerade die kleinen Veranstaltungen, die sich meistens (hier auf jeden Fall) so positiv von manchem doch sehr kommerziellen Großereignis abheben, haben ordentlichen Besuch doch verdient. Toll für die Organisatoren und Freiwilligen, die jede Menge Herzblut hineinstecken. Glücklicherweise stehen in Waxweiler rund 150 (!) Helfer aus 16 Vereinen und ein potenter Sponsor hinter der Veranstaltung. Deshalb sind die Veranstalter zu recht frohen Mutes und der tolle Eifelmarathon wird hoffentlich noch lange Bestand haben.
|
|
|
|
|
|
Streckenbeschreibung: Sehr anspruchsvoller Landschaftslauf in ständigem Wechsel von Auf und Ab mit rund 600 Höhenmetern, schwierigere zweite Hälfte, jeder km ist ausgeschildert.
Zeitnahme: Manuell
Weitere Veranstaltungen: Team-Marathon (jeweils 2 Läufer teilen sich die Strecke), 10 km-Lauf und 10 km-Walking
Startgeld: Marathon: 25 €, 5 € Nachmeldegebühr
Auszeichnungen: Medaille, Urkunde (nur im Versand gegen Gebühr), Geldpreise: 200/150/100 € für die ersten Drei m/w, zusätzlich jeweils nochmals 100 € für neue Streckenrekorde m/w, weitere Geld- und Sachpreise für die teilnehmerstärksten Mannschaften und die ersten Drei der jeweiligen AK
Logistik: Kinderbetreuung (!) während des Laufs, Umkleiden und Duschen am Sportplatz und Schwimmbad Waxweiler
Verpflegung: Am Vorabend Pastaparty, am Morgen preiswertes Frühstück ab 7 Uhr (Tasse Kaffee und zwei belegte Brötchenhälften für 2 €, viele Kuchen), alle 2-3 km Verpflegungsstellen mit Wasser, Iso, Tee, später auch Malzbier, Cola, Bananen und Rosinen, teilweise Gartenduschen!
Zuschauer: Landschaftslauftypisch außer im Start-/Zielbereich und in der Wechselzone Schloß Hamm nur wenige Versprengte an den Verpflegungsstellen
|
|
|