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Weidenhahner Lauffest am 08.12.2019


Norbert zu Ehren (oder: Wo der Wind so kalt pfeift)

Was schenkt man einem begnadeten Läufer – seinerzeit 100 km-Weltmeister der M75 in 9:50 Std. - zum 80. Geburtstag?. Wenn dieser Mann also ebenso begnadete (Schwieger)Kinder und Enkel hat, fällt die Wahl nicht schwer: Man lädt etliche mehr oder weniger und auch deutlich weniger Begnadete wie mich zum 6-Stunden-Lauf, Marathon bzw. Staffelmarathon ein. Die kamen reichlich nach Weidenhahn in den hohen Westerwald und erfreuten unseren Norbert Hoffmann am Vorabend seines Geburtstags durch ihre Begleitung auf der welligen 2,7 km-Runde.

Vor über einem Jahr klingelte mein Telefon. Sigrid, Norberts Tochter, war dran und erzählte von ihrer und Rolands, ihres Mannes, Idee: Wir richten unserem Papa einen Geburtstagslauf aus! Wie gut, wenn man Lauffreunde hat, die dank langjähriger Erfahrung als Ausrichter den einen oder anderen Tip geben können. Daß ich selber dabei sein würde, war natürlich Ehrensache. Die knappe Dreiviertelstunde vom rheinischen in den hohen Westerwald ist schnell überbrückt und vor der ehemaligen Dorfschule, der Hoffmänner gar nicht so bescheidenem Wohnsitz, bereits reichlich viel los. Zunächst muß jedoch ein Dreiviertelkilometer zur Grillhütte, dem Zentrum der Festivität, zurückgelegt werden. Dort ist bereits alles inkl. einer opulenten Verpflegungsstelle für die Einzelläufer vorbereitet. Mehr als die Startnummer gibt es jedoch nicht, die Leckereien sind ja erst noch zu verdienen.
 

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Zurück am Hoffmannschen Domizil dürfen wir im Anschluß an zwei flammende Ansprachen Rolands und Franks, des Weidenhahner Bürgermeisters, auch bald starten. Nach ein paar Metern bergab geht's links um die Kurve in die Friedhofstraße, die uns, wen überrascht's, zur Weidenhahner letzten Ruhestätte bringt. Soweit ich es überblicke, war das kein schlechtes Omen, denn alle haben am Ende ihre Heimatorte wieder wohlbehalten erreicht. Noch fallen die paar Höhenmeter am Friedhof kaum ins Gewicht, schnell ist der Scheitelpunkt erreicht. Der Belag wechselt von Asphalt zu festem Naturboden. Noch festem Boden, denn es droht Ungemach. Alles ist gut gelaunt und die Grillhütte bald wieder erreicht. Paul, Karins Mann, ist ganz traurig, weil er mit seinem VP keine Beachtung findet, aber auch das wird sich nachhaltig ändern. Martin, der Zeitnehmer, ist ganz in seinem Element und geht wie immer im Kleinbus  seiner Arbeit hochprofessionell nach.
 

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Damit ist die zwei km lange, verkürzte Einführungsrunde beendet, weitere fünfzehn Runden von 2,7 km mit je rund 30 Höhenmetern warten darauf, abgearbeitet zu werden. Am Waldrand  kommen wir auf gut zu belaufendem Feldweg prima voran. Hundert Meter hinter der Hütte ist großes Hallo angesagt, denn da stehen die Staffelteilnehmer und feuern uns an. Stellenweise ist der Weg ausgebessert und Norbert ganz stolz auf seine Vorbereitungen. Ein paar Meter sind matschig, da drückt sich das Wasser noch aus dem Berg. Vorsichtig versuchen wir, trockenen Fußes durchzukommen. Etwas weiter versperrt ein Auto den weiteren Weg. Klar, hier ist der angekündigte und gut ausgewiesene Wendepunkt. Schon ist die Grillhütte wieder erreicht, die ersten 1,2 km der Runde hinter uns gebracht.
 

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Oberhalb des Friedhofs führt der Weg, wieder auf Asphalt, in Richtung Kirche, in deren Nähe sich der Startort befindet. Zweimal links abgebogen, ist die erste von fünfzehn Runden, wieder  an der Grillhütte, vorbei. Schon wird es langsam meditativ, viele freundliche Gesichter – nicht alle, aber viele – kommen entgegen oder überholen, es ist nett und kurzweilig. Unsere heldenhafte, selbst schon fast achtzigjährige Frühstarterin Sigrid kämpft sich, abwechselnd gehend und laufend, tapfer voran. Von Berlin dürfte sie mit die weiteste Anreise gehabt haben. So vergehen die ersten Runden, als es nach knapp anderthalb Stunden erst zu tröpfeln, dann zu regnen beginnt. Na ja, Ihr kennt das, Kappe ins Gesicht und das Genick eingezogen, gute Miene zum bösen Spiel gemacht und weitergetrabt. Immer fieser wird der Regen, Böen kommen dazu, die insbesondere vor und nach dem Wendepunkt unangenehm sind.
 

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Halt, wo bin ich jetzt? War ich hier schon mal? Nee, die Kirche habe ich von dieser Seite noch nicht gesehen. Schlagartig bin ich wieder hellwach: Verlaufen! Ja, gibt's denn so etwas? Auf einer wirklich simplen, schon sechsmal durchmessenen Strecke verlaufen! Das kann auch nur mir passieren. Wofür steht eigentlich die Feuerwehr an den beiden einzigen Punkten, an denen  eigentlich auch nur ein Depp wie ich falsch abbiegen kann? Nach einigen Irrungen und Wirrungen und mehreren hundert Extrametern bin ich wieder in der Spur. Hoffentlich hat's keiner gemerkt, Ihr haltet ja wohl dicht! Mannomann, das beschäftigt mich die nächsten Kilometer, die immer nasser und matschiger werden. Längst schon hat sich der gesamte Feldweg in eine Matschbahn verwandelt und, oh Wunder, ich habe ausnahmsweise einmal richtig gedacht und mich mit GoreTex-Schuhen bewaffnet. Die halten meine Füße tatsächlich bis zum Ende trocken. Alle zwei Runden genieße ich die Verpflegungsstelle, die ein reichhaltiges und vielseitiges Angebot offeriert. Meine Favoriten sind ganz klar der warme Tee, die Brotstücke mit leckerem Aufstrich und die Pellkartoffeln mit Salz. Ich lasse mir Zeit zum Verpflegen, sechs Stunden dürfen wir ja unterwegs sein.
 

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So vergeht Runde für Runde, die Mitläufer werden weniger und Katja will nicht aufhören, weil sie sich den 6-Stunden-Lauf gibt. Bei diesem Wetter ist das wahrlich kein Vergnügen. Übrigens gibt es mehr Läufer auf der 6-Stunden- als auf der Marathondistanz, das habe ich auch noch nicht erlebt. Irgendwann ist dann auch für mich die letzte Runde angebrochen und die Erkenntnis gereift, daß der zwanzig Jahre ältere Norbert für mich immer noch das Maß aller Dinge ist: Eine Viertelstunde ist er vor mir im Ziel, das ich nach knapp fünf Stunden erreiche. Na ja, tröste ich mich, der Knabe hatte ja einen klaren Heimvorteil und ich war in unbekanntem Gelände unterwegs. Wenn ich mich ausgekannt hätte, ja dann...!
 

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Eine tolle, getöpferte Medaille erhalte ich für die heimische Wall of Fame, dann nur schnell raus aus den naßkalten Klamotten und ab in die Grillhütte, in der es für kleines Geld reichlich leckere Kalorien zum Auffüllen der kaum strapazierten Fettspeicher gibt. Aus meiner unmaßgeblichen Sicht hat alles wie am Schnürchen funktioniert, Sigrids und Rolands Plan ist voll aufgegangen. Der Mittelpunkt des Tages strahlt jedenfalls wie ein Putzeimer. Eine schöne Veranstaltung, die die Hoffmänner gerne wiederholen dürfen!