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33. Wien-Marathon am 10.04.2016
 

Vienna calling

So sang ab 1985 einer der seinerzeit bekanntesten österreichischen Exportartikel, der   viel zu früh verstorbene Johann Hölzel alias Falco, und lud somit nachhaltig in die österreichische Hauptstadt ein. Wien ist ohne Frage ein attraktives Reiseziel. Einige Male schon war ich bisher schon hier gewesen, aber eine bestimmte Sache hatte ich immer wieder vor mir hergeschoben: Nämlich einmal nach 42,195 km als Held auf dem Heldenplatz einzulaufen. Doch prompt trifft es mich wie einst den Erich aus der Dädärä, der sich kurz vor seinem Sturz noch hatte sagen lassen müssen: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ Genauso geht's mir heute, denn der Heldenplatz hat als Ziel des Wiener Marathons zu meinem großen Bedauern ausgedient. Wie dem auch sei - Wien hat gerufen, ich bin da!

Fast zeitgleich mit unseren Münchner Freunden Barbara und Klaus schweben wir am Freitagmorgen voller Vorfreude ein und genießen die anderthalb Tage, die uns im Vorfeld des Laufs für eine Stadtbesichtigung, welche die Laufwerkzeuge nicht zu sehr fordern soll. Leider begrüßt uns die Donaumetropole nach den ersten Hitzetagen zu Wochenbeginn mit kaltem Regenwetter. Dem fällt das vorgesehene Sightseeing freitags fast komplett zum Opfer, dafür bleibt der Samstag, wenn auch kalt, trocken. Wien erscheint uns wie ein großes Freilichtmuseum, eine kleine persönliche Andacht mit live vorgetragener Toccata und Fuge von Johann Sebastian Bach im Stephansdom beschließt (dann doch) viele, nämlich deren 11, samstägliche Geh-Kilometer.

Die Startnummernausgabe in der Wiener Messehalle ist für ein Ereignis dieser Größe überraschend klein, dafür ist der Kleiderbeutel frei von jeglichen Warenproben und sonstigen doch eher üblichen Gimmicks. Geradezu umwerfend ist dagegen die Pasta- bzw. Kaiserschmarrn-Party, die uns am Samstag zwischen 14 und 19 Uhr geboten wird. Nun sind im Rahmen eines Marathons 12,50 € für Essen und ein Getränk nicht gerade umsonst, aber aus meiner Sicht sehr gut angelegt. Allein das Ambiente im ehrwürdigen großen Saal des Rathauses ist ein echter Hammer, die Qualität des Essens ordentlich, und das Begleitprogramm macht echt Freude. Ein Quartett spielt zunächst klassische Musik, dem folgt die sehenswerte Darbietung einer Sandmalerin, die auf einer an die Wand projizierten Glasplatte tolle Bilder zaubert, und den Abschluß bildet für uns das Interview mit dem Renndirektor, Wolfgang Konrad.

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Den am Samstag durchgeführten Junior-Marathon verpassen wir wegen der Stadtbesichtigung. Ich hoffe sehr auf zunehmende Vernunft bei den Eltern, denn die Bilder von der Vergleichsveranstaltung in Linz wirkten doch sehr abschreckend: Nicht wenige Erziehungsberechtigte zerrten dabei ihren heulenden Nachwuchs mehr oder weniger gewaltsam über die Distanz. Wie schrieb der SPIEGEL so schön über die Geplagten? „Lebendige Statussymbole ihrer neurotischen Eltern, die zu eitel und zu blöd sind, ihr Kind alleine laufen zu lassen, egal ob und wann es dabei durch die Zielgerade kommt.“ Das kann es doch wirklich nicht sein, daß die Marathonkids das Laufen schon in frühester Jugend mit traumatischen Erlebnissen verknüpfen müssen. Richtigerweise hat man, das lese ich später, genau aus diesen Gründen auf die Zeitmessung verzichtet. Gut gemacht!
 

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Die sonntägliche Startaufstellung befindet sich auf dem Landstreifen zwischen alter Donau im Rücken und dem heutigen Donauverlauf in Richtung Stadtzentrum voraus. Rechts neben uns liegt als „UNO-City“ das internationale Zentrum mit u.a. dem Millennium-Tower und der Internationalen Atomenergie-Organisation. Unmittelbar rechts von uns ist der „Muhammad-Asad-Platz“ zu Ehren des 1900 als Leopold Weiss im damaligen österreich-ungarischen Lemberg geborenen konvertierten islamischen Gelehrten, Diplomaten und Korrespondenten. Und ich bete, daß es heute keine Bekloppten geben möge.

Die österreichische Nationalhymne wird gespielt: „Gott erhalte Franz, den Kaiser, unsern guten Kaiser Franz!“ Aber nein, halt, das ist ja heute unsere, und auch das nicht ganz. Denn Joseph Haydns Kaiserhymne (1796/97) war durch August Heinrich Hoffmann von Fallersleben 1841 mit dem uns Germanen bekannteren Text aus dem Lied der Deutschen versehen worden. Man spielt hier und heute natürlich die Bundeshymne („Land der Berge, Land am Strome, Land der Äcker, Land der Dome…“). Wir erkennen aber auch an diesem Beispiel die besondere geschichtliche Verbundenheit der Deutschsprachigen dies- und jenseits der Alpen.

Die Elite und die ersten beiden von sechs Startblöcken schickt man mit Johann Strauß' Kaiserwalzer auf die Reise. Reichlich ungewohnt ist dies, wenn man AC/DC & Co. gewohnt ist, aber es paßt hervorragend zur Stadt, selbst wenn man zu dieser Art von Musik keinen Draht haben sollte. Zwanzig Minuten später geht es auch für uns als zwei unter 9.418 gemeldeten Marathonern (6.483 im Ziel) los, begleitet vom Walzer „An der schönen blauen Donaug. Schon sind wir auf der Reichsbrücke und überqueren diesen großen europäischen Fluß. Gleich zu Anfang passieren wir die erste von mehreren großen Videowänden, auf denen wir das aktuelle Renngeschehen an der Spitze bis schließlich zur Siegerehrung mitverfolgen können, eine prima Einrichtung. Die Reichsbrücke, auf der wir uns noch befinden, ist der dritte Bau an gleicher Stelle. Die Vorgängerin, eine 1937 errichtete Kettenbrücke, war 1976 spektakulär auf voller Donaubreite ins Wasser gestürzt. Sie war als Symbol für den Reichtum und die Größe Wiens inszeniert und in den späten 1930er Jahren neben Stephansdom und Riesenrad zum dritten Stadtemblem Wiens erklärt worden.

Das Marathonlaufen, so oft ich es auch schon gemacht habe, wird mir erfreulicherweise nie zur Routine. Jedes Mal ist es für mich ein erhebendes Gefühl, in der Gewissheit dabei sein zu können, es unter normalen Umständen auch zu schaffen. Schon ist die Donauinsel überquert und wir nehmen Kurs auf den Praterstern, einen Verkehrsknotenpunkt. Wir auf der rechten Fahrbahn Gestarteten laufen rechts, die links Gestarteten links herum. Weil der Weg rechts herum etwas länger ist, standen wir auch ein paar Meter vor den linken Blöcken. Daher ist auch klar, warum es bei Androhung der vorläufigen Erschießung auf den ersten drei km verboten ist, die Straßenseite zu wechseln.
 

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Schon auf der Lasallestraße unterwegs, grüßt links die markante dem Kölner Vorbild Groß St. Martin nachempfundene Franz-von-Asisi-Kirche, kurz dahinter, das gleichermaßen bekannte wie markante Riesenrad, das den letzten Krieg glücklicherweise nur teilzerstört überlebt hat. Zum Prater erzähle ich ein paar Takte auf dem hier wieder vorbeiführenden Rückweg, einstweilen dürft Ihr Euch erst einmal an den Fotos erfreuen. Nach Umrundung des Tegetthoff-Denkmals kommen wir bald auf die breite Prater Hauptallee, die ganz offensichtlich zu den beliebtesten Wiener Laufrevieren gehört, auf ihr kommen wir gut voran. Nicht nur Klaus und ich nutzen den rechts von der Teerstraße verlaufenden weichen Reitweg. Die erste von zahlreichen Verpflegungsstationen versorgt uns mit dem Nötigsten (Wasser, Iso, Bananen, ab km 34 auch Cola). Auf Höhe des Ernst-Happel-Stadions biegen wir rechts zum Donaukanal ab, dem wir für drei km bis zum neunten folgen werden.

Das ist doch schön: Ein sehr bekanntes T-Shirt mit sehr bekanntem Rücken und ebensolchem Laufstil taucht vor uns auf. Kollege Herbert ist, gemeinsam mit seiner Lauffreundin Margit, ebenfalls in seiner Landeshauptstadt unterwegs, wir freuen uns über das unverhoffte Wiedersehen. Attraktive Bürgerhäuser zur rechten, ein Grünstreifen mit dahinter liegendem Donaukanal zur linken, so läßt es sich gut laufen. Überall in der Stadt hängen Plakate zur Bundespräsidentenwahl. Im Gegensatz zu unserer Bundesversammlung wird der Präsident hier unmittelbar vom Volk gewählt. Wie bei den Amis der Donald, tritt hier mit dem „Mörtel“, dem Bauunternehmer Richard Lugner, ebenfalls eine schillernde Figur zur Wahl an. Allerdings chancenlos, wenn ich den Bemerkungen um mich herum Glauben schenken darf. Im Gegensatz zu letztem Jahr nutzen wir mit der Aspernbrücke eine früher gelegene zur Überquerung des Kanals, genießen allerdings vorher noch die Anfeuerung durch eine erste Cheerleader-Gruppe, die ob des kalten, windigen Wetters leider viel zu gut verpackt ist. Links von uns, über der Urania (Volksbildungshaus mit Sternwarte), liegt der Wienfluß. Ja, jetzt staunst Du! Wien lag also ursprünglich an der namengebenden Wien, einem wirklichen Flüßchen, mit unserer heimischen Wied vergleichbar. Bevor jetzt einer zu lästern beginnt: Wie war das nochmal mit Düssel-Dorf am Rhein?

Überhaupt nichts zu lästern gibt es dagegen bei meinem anderen österreichischen Co-Autoren und „Marathon Maniac“ Anton Reiter, dem Mitbegründer des 100 Marathon Club Austria, bei seinem neunten Auftritt in Wien. Erst mit 47 Jahren sein Marathon-Debüt gebend, wollte er eigentlich nur besser in Form kommen. 54 Marathons ist der 62-jährige im Jahr 2013 gelaufen, heute feiert er sein 250. Marathon-Jubiläum. Seine Ziele? „300 Marathons bis zum 65. Geburtstag – und so lange wie möglich laufen." Alles Gute dabei, Anton!
 

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Hinter dem Museum für angewandte Kunst und dem geschichtsträchtigen, von Einheimischen wie Touris gleichermaßen gerne besuchten Stadtpark mit seinem historischen Kursalon im Stil der italienischen Renaissance, kommen wir zu km 10. Die ebenfalls zu gut verpacken Mädels des Sponsors Erdinger krallt sich direkt der Klaus und nutzt so schamlos die temporäre Abwesenheit der Gattin aus. Es wird auf ewig mein Geheimnis bleiben, Klaus, versprochen! Auf dem folgenden elften km haben wir Gelegenheit, schon mal den Zieleinlauf zu üben, denn hier werden wir nach geraumer Zeit zum 41. Km wiederkehren. An der Wiener Staatsoper, einem der bekanntesten Opernhäuser der Welt, biegen wir auf eine neun km lange Runde ein, die uns fast exakt wieder hierher zurück bringen wird. Bei km 12 steht endlich unsere bestellte Jubelabteilung, der ich allerdings von Klaus' moralischen Verfehlungen nicht Bericht erstatte, wo kämen wir denn da hin! Entlang der Wien, die hier in einem gemauerten, tiefen Graben verläuft, läßt es sich auf deren linken Seite im Folgenden gut vorankommen. Das soll aber nicht heißen, daß nach Belieben gelaufen werden kann. Auf der ersten Streckenhälfte ist trotz breiter Straßen sehr viel los. Einerseits ist das natürlich schön, wenn einem die Zeit egal ist, andererseits wäre kräfteraubendes Slalomlaufen erforderlich. Laßt Euch übrigens von den Fotos nicht täuschen: Auch wenn die Sonne manchmal kurz hervorschaut, es bleibt mehr als frisch, insbesondere durch den eiskalten Wind.

Nach gut 15 km erreichen wir eines der absoluten Glanzlichter des an Highlights wirklich nicht armen österreichischen Laufsport-Events Nummer eins: Das Schloß Schönbrunn, das sich linkerhand in seiner ganzen Pracht entfaltet. Es ist das größte Schloß und eines der bedeutendsten und meistbesuchten Kulturgüter Österreichs, hat einen etwa 160 ha großen Park – durch den wir leider nicht laufen - und ist seit 1996 Teil des UNESCO-Weltkulturerbes. Der barocke Palast war von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zum Ende des Ersten Weltkrieges die Sommerresidenz des österreichischen Kaiserhauses. Das Schloss war in dieser Zeit fast durchgehend von einem mehrere hundert Personen umfassenden Hofstaat bewohnt und wurde zu einem kulturellen und politischen Mittelpunkt des Habsburgerreiches. Eine Hauptattraktion im Schloßpark ist der älteste noch bestehende Zoo der Welt, der 16 ha große Tiergarten Schönbrunn. Die 16 hat hier für uns doppelte Bedeutung, denn exakt am Portal liegt km 16, und an dem biegen wir rechts quasi auf den Rückweg der 9 km-Schleife (von 11 bis 20) ab.  Leider verlassen wir damit auch den Wienfluß.
 

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Die anfangs eher unspektakuläre Maria-Hilf-Straße trägt uns, vorbei an vielen Geschäften und dem futuristischen Neubau Wiener Westbahnhof die nächsten vier km bis zu km 20, an dem wir erneut (und parallel versetzt zum späteren Zieleinlauf) abbiegen. Hier trennen wir uns von den Halblingen und schon wird es deutlich ruhiger. Aber nicht für alle, wie die „Österreich“ am Folgetag berichtet: „Verwirrte Lady bog falsch ab. Kuriose Szene: Fantu Jimma (ETH) und Susan Jeptoo biegen irrtümlich Richtung Halbmarathonziel ab. Jimma weiß nicht, was sie mit dem Halbmarathon-Zielband anfangen soll. Jeptoo kämpft sich auf die Strecke zurück und wird Zehnte.“ Wie kann so etwas passieren? Ganz einfach, indem die Streckenteilung leider nicht idiotensicher ausgeschildert und von kundigen Streckenposten gesichert ist. Bitter für die Mädels. Sie laufen auf Anschlag und sind daher nicht so konzentriert. Mir geht es fast genauso, als ich mehr mit der Kamera hantiere statt auf die Strecke zu achten.

An der Rückseite des schönen neogotischen Rathauses (Sitz der Stadt- und Landesspitze) und dem Sigmund-Freud-Platz vorbei, überqueren wir auf der Friedensbrücke den von den Anfangs-km bekannten Donaukanal. Damit hat uns das Wasser für die nächsten zweieinhalb km wieder und ich erinnere mich mit Freude an die tolle Strecke in Ulm/Neu-Ulm, das nicht umsonst auch an der Donau liegt. Auf der Asperbrücke hatte uns der km 9 über den Donaukanal gebracht, jetzt biegen wir an ihr, wieder am Tegethoff-Denkmal vorbei, auf die Praterstraße ein.
 

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Der Prater. Wer Wien erwähnt, hat davon zumindest schon mal gehört, auf jeden Fall vom Riesenrad. Wer jetzt allerdings dessen Vergnügungsteil, den Wurstelprater, mit dem Prater insgesamt gleichsetzt, liegt damit verkehrt. Er ist ein sehr weitläufiges, etwa 6 km² umfassendes, großteils öffentliches Areal, das noch heute zu großen Teilen aus ursprünglich von der Donau geprägten Aulandschaften besteht. Im letzten Krieg schwer zerstört, ist der Prater heute ein beliebtes Ausflugs- und Erholungsgebiet. Über ihn verstreut befindet sich eine sehr große Anzahl von Sportanlagen. Leider wurde sein Grünareal im Laufe der Zeit an vielen Stellen verkleinert, eine Entwicklung, die noch heute unvermindert anhält. Z. B. wurde die heute meistfrequentierte Autobahn Österreichs über einen zuvor besonders stillen Teil des Grünen Praters geführt.

Am Praterstern, den wir nach gut 27 km erneut erreichen, befinden wir uns wieder auf der 4,4 km langen schnurgeraden Prater Hauptallee, die wir ganz zu Anfang des Laufs schon einmal zur Hälfte bewundern durften. Sie führt vom Praterstern zum Lusthaus und entstand 1538 durch Rodungen im Auwald, um eine Verbindung zwischen dem Palais Augarten und dem kaiserlichen Jagdgebiet im Prater herzustellen. Sie besteht aus der Hauptfahrbahn und beidseitigen Reitwegen und Fußgängerpromenaden. Dazwischen wurden mehrreihig Kastanienbäume gepflanzt. Die Burschengruppe, die dort mit mobilem Verstärker steht und jede Menge Alarm verbreitet, bietet ihr Gösser-Bier aus Dosen so nachhaltig an, daß ich diese zusätzliche Verpflegung gerne mitnehme.
 

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Der 30. Km führt uns in einer kleinen Zusatzschleife mit Begegnungsverkehr zum stadteigenen Ernst-Happel-Stadion, dem früheren Praterstadion. Das Fußballstadion mit Leichtathletikanlage faßt 50.865 Zuschauer, in ihm finden die Heimspiele der österreichischen Fußballnationalmannschaft und Europacup-Spiele der Wiener Clubs statt. Mein Hamburger Kollege Michael, ein leidgeprüfter, glühender und von uns ob der in den vergangenen Jahren sehr überschaubaren Leistungen seines Lieblings-Klubs gerne verspotteter HSV-Anhänger hätte jetzt Tränen der Rührung in den Augen. Unter dem gebürtigen Wiener Ernst Happel, dem Grantler, wie er gerne genannt wurde, hatte nämlich den HSV mit dem Gewinn deutscher Meisterschaften, DFB-Pokal und Pokal der Landesmeister zuletzt in den siebziger und achtziger Jahren Ruhm und Ehre einheimsen können. Lange ist's her.

So langsam muß ich dann ein wenig zu beißen anfangen, da fällt mir Falco wieder ein:

Hello, Vienna calling
Hello, hello, Vienna calling...
Vienna calling
Two, one, zero - Der Alarm ist rot
Wien in Not - Cha, Cha, Cha
Vienna calling, Vienna calling.

Zurück auf der Prater Hauptallee führt uns der Weg bis zu dessen Ende, wo wir das stark kriegszerstörte und im ursprünglichen Stil als Jagdhaus wiedererrichtete Lusthaus umrunden. Die zwei Mädels vom Koblenzer Meddys Lauf- und Walkingtreff staunen, als ich mich Ihnen als Anführer der lautstarken Großgruppe unseres Lauftreffs bei deren Lauf Rund um die Sporthalle Oberwerth oute. Ja, natürlich sind wir mit dem neuen Laufkurs auch in diesem Jahr wieder dabei! Wo sonst hat man bei einem 5 km-Lauf einen Einlauf in die Halle auf roten Teppich? Zweieinhalb km weiter sind wir erneut auf Höhe des Stadions und verlassen die Hauptallee. Die folgenden km 35 bis 39 sind identisch mit den km 5 bis 9 und verlaufen zum großen Teil wieder am Donaukanal, an dessen Ende wir das Zollamt und erneut den Glaspalast Bahnhof Wien Mitte streifen. Der 40. ist wieder identisch mit dem 10. und dann ist es noch ein guter km. Aber was für einer! An der Staatsoper dürfen wir dieses Mal geradeaus laufen. Schlapp lachen wir uns auf Höhe des ÖAMTC-Hauptquartiers, weil deren Werbebogen die Luft ausgegangen ist und ein paar Helferinnen ihn gerade so hoch halten, daß wir noch herunter durchschlüpfen können. Und auch unsere Frauschaft ist ein letztes Mal dabei, uns „mündlich“ übertragene Anfeuerung zukommen zu lassen.
 

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Vorbei am Burggarten, dem ehemaligen kaiserlichen Privatgarten mit sehenswertem Palmenhaus, und diversen Museen streifen wir nur – jetzt kommen mir aber echt die Tränen! – den Heldenplatz. Das tut mir jetzt wirklich weh! Denn dort wäre ich (wenn es die auch nur im Ansatz interessiert hätte) unter den Augen des Bundespräsidenten (Hofburg) und des Bundeskanzlers (Ballhausplatz) als echter Held eingelaufen. Quasi gleichgestellt mit den namengebenden beiden Reiterdenkmälern, die beide zur militärischen Glorifizierung der Dynastie dienten. Wer zu spät kommt…

Dafür nimmt die Zahl der Zuschauer wieder deutlich zu, wie wir es von großen Stadtmarathons auf den letzten 1 bis 2 km kennen. Die angekündigte Zahl von 1 Million kann ich allerdings auch bei bestem Willen nicht bestätigen. Wenn man von dieser Zahl eine Null streicht, kommt man der Realität sicher näher. Für den Verlust des Heldenplatzes entschädigt werden wir auf den letzten Metern mit dem Parlamentsgebäude zur Linken, dem Volksgarten zur Rechten, dem Rathaus zur Linken und final dem Burgtheater zur Rechten. Dieses tolle Bauwerk ist übrigens namensgebend für die diesjährige Ausgabe („Theater der Emotionen“). Noch zweihundert Meter auf rotem Teppich, dann laufen Klaus und ich mit gemeinsam hochgerissenen Armen voll emotional über die Ziellinie. Geschafft!
 

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Also, Heldenplatz hin oder her: Das Ambiente vor dem zweitältesten europäischen sowie größten deutschsprachigen Sprechtheater, das als eine der bedeutendsten Bühnen Europas gilt, ist bestimmt nicht schlechter als früher am Heldenplatz. Wirklich hervorragend sind sowohl Nachversorgung als auch Gepäckrückgabe organisiert: Zunächst erhält jeder eine Flasche Wasser, danach gibt es eine wunderscgöne Medaille mit eingearbeitetem Swarowski-Stein, das hat schon etwas! Danach noch nie Erlebtes am Erdinger-Stand: Kein Gedränge, zig vorbereitete Becher mit dem beliebten Lebensretter, herrlich! Der Verpflegungsbeutel, der für jeden vorbereitet ist, enthält alles Notwendige und schon sind wir, mit einer Wärmefolie versehen, an den Gepäckwagen, die, sauber nach HM, Staffeln und Marathon geordnet, kreuzförmig aufgereiht sind.

Klaus, ein Hamburger Läufer und ich vergleichen unsere von drei unterschiedlichen Systemen ermittelten zurückgelegten Entfernungen und kommen unisono auf 42,9 bis 43,0 km. Dies läßt stark ein paar Extrameter für alle vermuten (es gab keine blaue Linie). Uns kann das in unserer Leistungsklasse natürlich egal sein, nicht aber, wenn man hohe Ziele hat, wie z.B. Valentin Pfeil, die österreichische Olympiahoffnung. Mit 2:16:37 Std. verpasst er die Olympianorm um 2:37 min. Das umgerechnet auf gut 700 m... Wir sind auf jeden Fall mit unseren 4:14 Std. in Anbetracht aller Umstände für heute zufrieden und trollen uns so langsam, im Kopf nochmals von Falco begleitet:

Цien, nur Wien, du kennst mich up, kennst mich down
Du kennst mich.
Nur Wien, nur Wien, du nur allein
Wohin sind deine Frau'n.

泥as interessiert nicht nur ihn brennend, daher verlassen wir unsere heutige Wirkungsst舩te in Richtung unserer erlebnishungrigen Gattinnen, die uns nach einer hei゚en Dusche in Richtung Schlo゚ Schbrunn abschleppen. Wir sind schwer beeindruckt, auch und gerade wegen des herrlichen Laufreviers im Schlo゚park. Abends werden wir insgesamt 62 km zu Fu゚ zur￿kgelegt haben. Wir sind doch Helden.
 

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  • Streckenbeschreibung:
  • Attraktiver Einrundenkurs mit einigen doppelt zu laufenden Passagen. 90 Höhenmeter.
  • Startgebühr:
    69 bis 99 € (Limit: 9.000).

    Weitere Veranstaltungen:
    Schülerläufe, Halbmarathon, Marathonstaffel (4 Teilnehmer).

    Leistungen/Auszeichnung:
    Medaille, Urkunde.

    Logistik:
    Optimal.

  • Verpflegung:
    Ausreichend, aber ausbaufähig (Sortiment)
  • Zuschauer:
  • In der Werbung liest man von 1 Million. Ein Zehntel davon kommt der Wahrheit wohl näher, wobei das kalt/windige Wetter wenig zuschauerfreundlich war.
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