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10. – 13.03.2013


Vier Tage Verantwortung für Henry

Wieder einmal sind die Jungs bei uns in Deutschland, einer der Hauptgründe ist dabei die Teilnahme am gut gesponserten Lufthansa-Halbmarathon in Frankfurt. Lufthansa hatte den GOLD-Film maßgeblich unterstützt. Für mich ist das natürlich eine hervorragende Gelegenheit, beide erneut zu sehen. Die CBM hatte zudem ganz vorsichtig angefragt, ob ich mich anschließend ein paar Tage um die beiden kümmern wolle. Puh, wie soll ich das anstellen? Mit meinem Freund Thorsten finden wir eine optimale Lösung: Joseph wird vier Tage in Mannheim bei Jupp, seinem künftigen Hundetrainer, unterkommen und dort bzgl. seiner Hundetauglichkeit auf Herz und Nieren geprüft werden. Ich nehme Henry mit zu mir nach Hause, und nach der „Wiedervereinigung“ beider Kenianer übernimmt sie Thorsten, um mit ihnen in Stuttgart bei der Blindenwerkstatt das geplante Besenprojekt für Machakos weiter voranzubringen.

Rührender Empfang vor dem Halbmarathon, leicht unterschiedliche Ergebnisse beim Lauf – die Jungs waren geringfügig schneller – und nach einem Abschlußtreffen mit Marion und Martin von der CBM packe ich Henry ins Auto und ab geht’s nach Waldbreitbach. Ehrlich – ich leide nicht unter mangelndem Selbstbewußtsein, aber ich habe gehörigen Respekt vor der Aufgabe, erstmals für einen blinden Menschen vier Tage und Nächte alleinverantwortlich zu sein. Ich muß mich sehr schnell daran gewöhnen, Josephs Aufgabe zu übernehmen, der Kerl sieht ja nichts! Also bin ich pausenlos am Erzählen, was ich gerade sehe, wohin wir fahren etc. pp. Ich bin heilfroh, als Henry mal wegnickt.
 

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Zuhause bezieht er unser Gästezimmer und lernt die häuslichen Gegebenheiten kennen. Glücklicherweise ist er nicht zum ersten Mal bei uns und stellt erneut sein phänomenales Gedächtnis unter Beweis. Den Weg zum Badezimmer im Erdgeschoß hat er ganz schnell  drauf und das anschließende Duschen erledigt er alleine. So verbringen wir einen schönen Nachmittag und Abend. Ja, es ist anstrengend, ihn ohne Unterbrechung zu bespaßen. Aufgrund der Kälte schließt er sofort innige Freundschaft mit unserem Kaminofen, den er nach einer entsprechenden Einweisung selbst entzündet hat. Ich weiß ja, der Bursche muß gefordert werden und kann sehr viel mehr, als man zu glauben meint. Man muß es ihm nur zutrauen. Abends geht’s zu unserem Lieblingsitaliener, wo er nicht wenig Aufmerksamkeit erregt.

Morgens bekommt er von mir immer ein leckeres Frühstück bereitet, denn Elke ist schon lange unterwegs, weil sie arbeiten muß. Der Junge hat vor nichts Angst und probiert tapfer alles, was ich ihm vorsetze. Unser erster Weg führt uns in die Waldbreitbacher Töpferei zu Willi, der ihn schon lange ins Herz geschlossen hat. Joseph und Henry hatten bei ihrem letzten Besuch Tonschüsseln gefertigt, die Willi zwischenzeitlich gebrannt und lasiert hatte. Henry freut sich, beide Schalen, gut verpackt, mit nach Kikuyu nehmen zu können. Am frühen Nachmittag statten wir dem Wehrtechnischen Museum in Koblenz einen Besuch ab. Der Museumsleiter läßt es sich nicht nehmen, uns mit seinem Stellvertreter höchstpersönlich zu führen. Sonst völlig undenkbar: Henry darf alles ausgiebig anfassen und erweist sich als sehr interessiert. Kanonen, Motoren, Panzer, Flugzeuge, (Stahl)Helme – alles wird ausgiebig ertastet. Ich schieße ein legendäres Bild von Henry unter einer kaiserlichen Pickelhaube!

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Abends sind wir im Laufladen „7G Runergy“ in Bad Honnef zu Gast. Die Inhaber, Volker und Christoph sammeln schon seit einiger Zeit noch brauchbare Laufkleidung für Henrys Laufclub, auch manches unverkäufliche Neuteil ist dabei. Sie freuen sich über das persönliche Kennenlernen und den Vortrag, zu dem rund fünfzig Interessierte gekommen sind. Wieder mal versuche ich, in Bengts große Fußstapfen zu treten, lese aus Henrys Biographie vor, erzähle von meinen persönlichen Erlebnissen und binde unseren Freund immer wieder aktiv ins Geschehen ein. Wir können viele Bücher verkaufen und so etwas für die Foundation tun. Der General-Anzeiger Bonn schreibt einen tollen Artikel.
 

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Am nächsten Tag hat es geschneit, unser Bürgersteig muß freigeräumt werden. Henry hat noch nie Schnee erlebt und will unbedingt Schnee schieben. Ich filme ihn dabei und wem ich den Film (70 MB!) zeige, kann nicht glauben, daß Henry blind ist. Er macht das mit einer normalen Schneeschaufel derart sicher, daß man es für gestellt halten muß. Ist es aber nicht. Ein beeindruckendes Erlebnis. Alles, was der Junge macht, hat Hand und Fuß.

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Am folgenden Tag ist morgens ein gemeinsames Läufchen angesetzt. Ich liebe es, mit Henry unterwegs zu sein. Allerdings ist das Wetter sehr wenig einladend, daher beschließen wir nach kurzer Beratung, den Lauf durch ein Frühstück zu ersetzen. Schön zu sehen, daß es auch kenianische Weicheier gibt! Anschließend sind wir bei meinem Physiotherapeuten, der Henry ordentlich rannimmt. Bereits bei seinem letzten gemeinsamen Besuch mit Joseph hatte er ihn unter seine Fittiche genommen.
 

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In unserer Grundschule, die im vergangenen Jahr die „Olympiade der Herzen“ durchgeführt und in deren Rahmen sagenhafte 6.500 € gespendet hat, tragen wir vor allen Kindern nochmals kurz vor und zeigen Fotos von der Küche, die maßgeblich mit diesen Mitteln für Theresias House of Hope mittlerweile entstanden ist. Es erweist sich als sehr gut zeigen zu können, wo genau das Geld angekommen ist und daß nichts unterwegs in irgendwelchen dunklen Kanälen versickerte. Kinder und Lehrer sind wieder einmal begeistert und beeindruckt, als Henry vom GOLD-Film und seinen paralympischen Erfolgen berichtet.
 

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Nachmittags sind wir zu Gast in einer Physiotherapeutenschule in Bornheim (Video bei Youtube) bei Bonn. Eine Schülerin hatte Wind von unserem abendlichen Vortrag bei 7G Runergy bekommen und im Vorfeld gefragt, ob Henry bei ihrem Besuch der GOLD-Vorführung in Bonn (Trailer zum Film) anwesend sein könnte. Das ging leider nicht und so haben sie ihn spontan zu sich eingeladen. Und da wir Zeit hatten, sprach nichts dagegen. Sauwohl haben wir beide uns gefühlt, zumal auch Radio Bonn-Rhein-Sieg in Person von Andreas „Billy“ Moh anwesend war und eine schöne Reportage produzierte. Ein selbstbestücktes Buffet rundete den gelungenen Besuch ab.

Am Mittwoch war unsere traute Zweisamkeit dann leider, leider schon zu Ende. Vormittags fuhren wir nach Mannheim zu Jupp, Josephs zukünftigem Hundetrainer, der uns versicherte, noch nie jemandem getroffen zu haben, der für eine Hundeführerausbildung derart gute Anlagen mitbringt. Na, das haben alle doch gerne gehört. Gemeinsam mit Jupp und Joseph fuhren wir nach einem zweiten Frühstück zum Mannheimer Hauptbahnhof, wo mein Freund Thorsten Hintsch die beiden im Empfang und für weitere drei Tage mit nach Fellbach bei Stuttgart nahm.

Wieder zuhause, fiel eine Riesenlast, nämlich die der alleinigen Verantwortung für einen blinden Menschen, von mir ab. Dennoch habe ich jede Sekunde genossen und freue mich auf unser nächstes Treffen, wo auch immer es stattfinden möge.